Reitzles Vermächtnis
Es war ein desaströses Bild, das Linde in den vergangenen Monaten der Öffentlichkeit darbot. Feindseligkeiten in der obersten Führungsriege, die CEO Wolfgang Büchele und CFO Georg Denoke den Job gekostet haben, eine im ersten Anlauf spektakulär verpatzte Fusion mit dem US-Rivalen Praxair – dem langjährigen Chef des Gasekonzerns, Wolfgang Reitzle, musste das Treiben in der Münchener Konzernzentrale physische Schmerzen bereitet haben. Reitzle, Manager des Jahres 2007, hatte aus dem Gemischtwarenladen Linde den weltweit größten Gaseanbieter geformt – und von 2002 bis 2014 an der Unternehmensspitze eine beeindruckende Erfolgsgeschichte geschrieben. Im Jahr seines Abgangs übergab Reitzle ein intaktes Unternehmen.
Zwei Jahre später ist davon nur noch wenig übrig: operative Probleme, ein Vakuum an der Firmenspitze, der Dauerrivale Air-Liquide enteilt. Reitzle musste handeln, um sein Vermächtnis zu retten. Und das tat er in seiner Funktion als Chefkontrolleur. Die Einigung mit Praxair ist im Wesentlichen auf seinen Druck hin zustande gekommen. Strategisch ist die Fusion zweifellos sinnvoll. Doch nun muss Reitzle aufpassen, dass Linde in dem neuen amerikanisch-deutschen Großkonzern nicht zu viele Federn lässt. a.knoch@schwaebische.de im Aufsichtsrat zu dem Geschäft sei noch nicht garantiert, sagt der Konzernbetriebsratschef und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Dieter Katte.
Offen ist auch, was mit dem zyklisch schwankenden und weniger renditestarken Anlagenbau geschieht. Die Hälfte der 7000 Beschäftigten in dieser Linde-Sparte arbeitet in Pullach, Traunstein und Dresden. Wenn bald wieder mehr Aufträge aus Russland und dem Iran kommen, wird es möglicherweise schwierig für einen US-Konzern.