Poet trifft auf Prolet
Hip-Hopper Wendja auf Tour mit neuem Album
RAVENSBURG - Dass Lukas Plöchl, so Wendjas europäischer Name, ein Poet ist – daran gibt es nach diesem Album kaum noch Zweifel. Zu prägnant hinterlassen die Texte der 14 Tracks ihre Spuren: Zeilen wie „Wir haben die Formel zum Glück, aber wieso geht die Gleichung nicht auf“(„Vermessung der Welt“) beweisen seine scharfe Beobachtungsgabe der Welt, die er pointiert wiedergibt. Dabei sind seine Texte oft autobiografisch gefärbt und spiegeln eine emotionale Zerrissenheit wider, die der Sohn eines Chinesen und einer Österreicherin wohl oft empfunden haben mag – sei es bei der Suche nach der Heimat, der eigenen Geschichte („Zum Leben bestimmt“) oder der eigenen Identität („All deine Facetten“). Die Poesie des Albums entsteht dabei vor allem durch seine jetzige, abgeklärte Perspektive, wie beim „Schlussmachlied“mit dem be- zeichnenden Titel „Trotzdem lieb ich dich“.
Zum Proleten wird Wendja nur wenn er Kritik an der heutigen Gesellschaft äußert, beispielsweise an der oberflächlichen Spaßgesellschaft beim Après-Ski auf Kosten der ursprünglichen Tradition („Abriss Austria“). Denn er hält dann nicht mit seiner Meinung hinter dem Berg. Herausragend hierbei ist „Zeit für Menschlichkeit“, in dem er die Gesellschaft für ihr Wegsehen in der Flüchtlingskrise anklagt („Teilen ist heute ein Button auf Facebook“) – der stärkste Song des Albums.
Der Sound spielt hier nur eine untergeordnete Rolle – auch wenn das Album mit den Popbeats, Hip-Hop, House, Balladen, Dancehall und „Raop“gehörig vielseitig auftritt. Live: 4.3. Stuttgart, Club Cann; 8.3. München, Backstage.