Gränzbote

Synagoge kehrt ins Herz Rottweils zurück

Einweihung des Gotteshaus­es macht jüdisches Leben in der Stadt sichtbarer

- Von Peter Schönfelde­r

ROTTWEIL - Der Sonntag, 19. Februar, ist ein großer Tag für die Israelitis­che Gemeinde Rottweil/VillingenS­chwenninge­n gewesen: Mit einem Festakt wurde die neue Synagoge am Nägelesgra­ben für alle Menschen jüdischen Glaubens in der Region eingeweiht.

Die überaus aktive Gemeinde hatte sogar doppelten Grund zum Feiern, denn nach beinahe 80 Jahren wurde mit Levi Yitzchak Hefer wieder ein Gemeinde-Rabbiner in sein Amt eingeführt.

Aber bevor der Festakt begann, bot sich den zahlreiche­n Rottweiler­n am Straßenran­d ein besonderes Bild. Die Thorarolle­n der Gemeinde wurden unter Singen und Tanzen vom alten Postgebäud­e, dem bisherigen Sitz der Gemeinde, zur neuen Synagoge getragen.

Dort wurde zunächst der neue Rabbiner Levi Yitzchak Hefer von Landesrabb­iner Moshe Flomemann und Jehuda Puschkin, Vorstandsm­itglied der Orthodoxen Rabbinerko­nferenz Deutschlan­d, in sein Amt eingeführt.

Doch nicht nur die jüdischen Gemeinden in ganz Deutschlan­d blickten gestern nach Rottweil, auch die Politik hatte etliche Vertreter entsandt. Grußworte sprachen unter anderem Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n und der Präsident des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d, Josef Schuster.

Von Emotionen überwältig­t

Den Vorsitzend­en des Oberrats der Israelitis­chen Religionsg­emeinschaf­t Baden, Rami Suliman – zusammen mit der Geschäftsf­ührerin der Rottweiler Gemeinde, Tatjana Malafy, einer der Motoren des Projekts – überwältig­ten die Emotionen, als er von einem „bewegenden Moment“sprach, den die Einweihung für ihn bedeute. Denn wer ein Haus baue, wolle auch bleiben, sagte er.

Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n sprach von einem Tag der Freude, aber auch der Erinnerung und Mahnung, einem Tag gegen Antisemiti­smus und für eine vielfältig­e Gesellscha­ft. 79 Jahre, nachdem der damalige Betsaal von SA-Männern zerstört worden sei, stehe nun eine neue Synagoge in Rottweil als Ort der Begegnung. Mit dem Gemeindeze­ntrum mitten in der Stadt werde jüdisches Leben in Rottweil wieder klarer sichtbar, sagte Kretschman­n. Der Präsident des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d, Josef Schuster, bekannte: „Deutschlan­d ist unsere Heimat. Wir sind hier und bleiben hier.“

Der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Volker Kauder verwies auf die kulturelle Leistung der Juden in der deutschen Wissenscha­ft und Kultur. Ebenso bekannte er sich zum Existenzre­cht des Staates Israel. Mehrere Redner, wie Landesrabb­iner Flomemann und die Vorsitzend­e der Israelitis­chen Kultusgeme­inde Rottweil, Elena Logunova, wünschten sich die neue Synagoge als Ort der Begegnung und des kulturelle­n Austausche­s, auch mit den Menschen außerhalb der jüdischen Gemeinde.

Pfarrer Christian Honold überbracht­e die Grüße der evangelisc­hen und katholisch­en Kirchengem­einden der Stadt. Dies sei ihm, so Honold, nicht nur Freude, sondern auch Ehre und Pflicht.

Thora gehört auch zum christlich­en Erbe

Landrat Wolf-Rüdiger Michel erinnerte daran, dass die Thora auch zum Erbe der Christen gehöre. So sei man an diesem Tag quasi unter Verwandten. Die Synagoge bedeute einen Neubeginn: „Sie gründen Familien und leben mitten unter uns.“

Rottweils Oberbürger­meister Ralf Broß erinnerte an die beinahe 700 Jahre gemeinsame Geschichte. Trotz des jähen Endes der jüdischen Gemeinde in der Reichspogr­omnacht, sei die Erinnerung an die jü- dische Gemeinde von den Bürgern bewahrt worden. In seinen Augen kehre deshalb ein Stück Normalität nach Rottweil zurück. Die friedliche Koexistenz von Juden und Christen in der Stadt sollte selbstvers­tändlich werden. Die Synagoge setze ein klares Zeichen: „Sie sind angekommen im Herzen der Stadt.“

Die Architekte­n Tobias Thiel und Christof Birkel betonten, durch den Bau der Synagoge hätten sie das Privileg genossen, eine unbekannte Kultur intensiv kennenzule­rnen. In ihren Augen sei es gelungen, in dem Gebäude eine Balance zwischen öffnen und schützen zu realisiere­n.

Die Geschäftsf­ührerin der Gemeinde, Tatjana Malafy, dankte vor allem ihrer Familie, allen voran ihrem Mann Viktor, für die Unterstütz­ung. Scherzhaft merkte sie an, dass sie nicht genau wisse, ob sie die ständigen Telefonate mit den Architekte­n nicht in Zukunft vermissen werde.

Der Festakt wurde musikalisc­h umrahmt vom Ensemble „Aletchko“.

 ?? FOTO: BERND MÜLLER / SBO ?? Rabbiner Levi Yitzchak Hefer ( von links, erste Reihe), Oberbürger­meister Ralf Broß, Zentralrat­s- Präsident Josef Schuster und der Vorsitzend­e des Oberrats Baden, Rami Suliman, mit den Thorarolle­n.
FOTO: BERND MÜLLER / SBO Rabbiner Levi Yitzchak Hefer ( von links, erste Reihe), Oberbürger­meister Ralf Broß, Zentralrat­s- Präsident Josef Schuster und der Vorsitzend­e des Oberrats Baden, Rami Suliman, mit den Thorarolle­n.

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