Im Südsudan hungern Millionen
Lena Voigt berichtet von der Arbeit der Welthungerhilfe im Südsudan
Es ist ein Konflikt, den die Weltöffentlichkeit nur selten wahrnimmt: Nach drei Jahren Bürgerkrieg sind im Südsudan – hier das Flüchtlingslager in Adjumani (Foto: AFP) – immer mehr Menschen von Hunger bedroht. Derzeit leben dort rund sieben Millionen Menschen laut Angaben von Helfern von einer Mahlzeit am Tag.
Merkel für Gespräche über Depressionen
BERLIN (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht großen Handlungsbedarf für die Aufklärung über Depressionen – und für Gespräche mit Arbeitgebern darüber. Viele Menschen trauten sich nicht, über Depressionen zu sprechen und kehrten eine Erkrankung unter den Teppich, sagte Merkel am Mittwoch bei einer mit internationalen Experten besetzten Konferenz im Kanzleramt unter dem Titel „Was Menschen wichtig ist – Globale Gesundheit und Innovation“. Merkel sagte, vom Kanzleramt bis zu Behörden und Unternehmen solle über Abbau von Vorurteilen gesprochen werden. RAVENSBURG - Nach Jahren des Krieges und der Gewalt herrscht im Südsudan eine verheerende HungerKrise. Im Norden und im Zentrum des afrikanischen Landes schweben nach Einschätzung der Vereinten Nationen 100 000 Menschen wegen starker Unterernährung in Lebensgefahr. Noch viel mehr Südsudanesen sind auf Hilfe angewiesen: Etwa 5,5 Millionen Menschen können sich dort durch die andauernden Kämpfe nicht mehr selbst versorgen, meldet die Welthungerhilfe. Erstmals seit sechs Jahren haben die UN deswegen jetzt eine akute Hungersnot ausgerufen. Ulrich Mendelin hat mit Lena Voigt gesprochen, der Projektkoordinatorin der Welthungerhilfe im Südsudan. Sie erklärt, wie die Hilfsorganisation dort Nothilfe leistet und warum die Krise menschengemacht ist.
Wie erleben Sie die Lage im Südsudan derzeit?
Im Norden des Landes können wir relativ gut arbeiten, dort ist es ruhig. Wir sind aber auch im Unity State, der zu den am stärksten von dem Konflikt betroffenen Bundesstaaten des Südsudan gehört. Dort arbeiten wir sowohl in Bentiu, einem der größten Binnenvertriebenenlager des Landes, als auch im Süden des Bundesstaates in einer sehr abgelegenen Region, wo es in den letzten Jahren relativ häufig Angriffe gab. Trotzdem können wir seit vergangenem Jahr dort ohne große Probleme arbeiten.
Was können Sie im Rahmen der Nothilfe leisten?
Zusammen mit dem Welternährungsprogramm WFP verteilen wir an knapp 350 000 Menschen Nahrungsmittel. Das ist sehr aufwendig, weil zumindest der südliche Unity State nicht über Land erreicht werden kann – wegen der schlechten Infrastruktur und auch wegen der Sicherheitslage. Das heißt, es werden jeden zweiten Monat Nahrungsmittel für 150 000 Menschen eingeflogen und aus den Flugzeugen abgeworfen.
Ist es dort so unsicher, nicht landen können? dass Sie
Es gibt einfach keine Landebahnen für große, schwere Cargo-MaschiGebiete, nen. Lediglich kleine Schotterpisten, wo nur kleine Flugzeuge oder Helikopter landen können.
Was bekommen denn die Menschen zu essen?
Es gibt eine Standardration: Wir verteilen Sorghum-Hirse – das Grundnahrungsmittel im Südsudan –, außerdem Hülsenfrüchte wie Bohnen oder Linsen, pflanzliches Speiseöl und Salz. Also wirklich nur die Grundlagen, die zum Überleben nötig sind.
Wer ist besonders auf die Lebensmittel angewiesen?
Im Norden des Unity State sind es fast ausschließlich Binnenvertriebene. Das Lager ist 2013 entstanden, nachdem der Konflikt das erste Mal ausgebrochen ist. Seitdem ist es stetig angewachsen. 2013 lebten dort zunächst 20 000 bis 40 000 Menschen, zwischenzeitlich waren es über 160 000, jetzt um die 110 000 bis 120 000. Im ganzen Land werden sechs solcher Flüchtlingslager von der UN-Mission im Südsudan geschützt und geleitet. Darüber hinaus gibt es inoffizielle Camps und auch in denen Binnenvertriebene sich in die Dorfgemeinden eingliedern. Im südlichen Unity State verteilen wir auch an die ortsansässige Bevölkerung Nahrungsmittel.
Respektieren die Bürgerkriegsparteien denn diese Schutzzonen?
Leider nicht immer. Es gab mehrere Angriffe auf das Lager in Malakal und auch an anderen Standorten, einschließlich der Hauptstadt Juba, kam es vereinzelt zu Angriffen.
Ist die Dürre eine Folge des Klimawandels? Auch Nachbarländer leiden darunter.
Der Südsudan war von den Klimaphänomen El Niño und jetzt La Niña bei Weitem nicht so stark betroffen wie Äthiopien oder Teile Kenias, wo diese Wetterereignisse Dürre verursacht haben. Tatsächlich sind es recht begrenzte Gebiete, in denen sich die sehr schlechte Ernährungslage auf Dürre oder zu starke Regenfälle zurückführen lässt. In weiten Landesteilen ist der Grund für den Hunger die Unsicherheit, die Wirtschaftskrise und die nach wie vor schlechte Infrastruktur, die den Transport von Menschen und Gütern sehr schwierig macht. Die Katastrophe ist menschengemacht.
Hat sich die akute Hungersnot über einen längeren Zeitraum angekündigt?
Für uns war sie nicht überraschend. Der Konflikt ist letztes Jahr erneut massiv ausgebrochen, deswegen sind viele Menschen geflohen und konnten ihre Felder nicht bestellen. Und die Unruhen griffen auch auf zuvor stabile Landesteile über, die bislang als der Brotkorb des Südsudans galten. Dort wurde ein großer Teil der Ernte nicht eingeholt.
Hilfsorganisationen rufen zu Spenden auf. Spüren Sie eine gewisse Spendenmüdigkeit?
Ja, das spürt die Welthungerhilfe, und das spüren mit Sicherheit alle anderen Nichtregierungsorganisationen auch. Sie leisten aber wichtige Arbeit und brauchen deutlich mehr Mittel, um jetzt in dieser Notlage helfen zu können.
Was passiert, wenn die nicht hilft? Weltgemeinschaft
Dann wird sich die Hungersnot auf große, weitere Gebiete des Südsudans ausweiten. Es sind wirklich große Teile der Bevölkerung auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen, aber auch auf etwas mehr Übergangshilfe wie Saatgut und einfache Werkzeuge, damit sie wieder anbauen können um sich selbst zu ernähren.