Harte Lobbyarbeit für den Oscar
Beim wichtigsten Filmpreis der Welt spielt die Politik eine große Rolle – Der Einreisestopp könnte dem deutschen Beitrag schaden
LOS ANGELES (sz) - Am Sonntag feiert sich Hollywood selbst bei der Oscarverleihung. Aber dieses Jahr könnte die Gala politischer werden als in der Vergangenheit. Welche Filme die begehrten Preise bekommen, hängt nicht immer nur von ihrer Qualität ab, sondern auch von Lobbyarbeit und einigen Millionen Dollar, die die Studios in Promotion investieren.
NEW YORK (dpa) - Am letzten Sonntag im Februar werden in Hollywood die Oscars verliehen. Oliver Mahrdt ist hinter den Kulissen einer der Menschen, die einen deutschen Film zum Sieger in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“führen wollen. Er arbeitet für German Films, die Organisation, die den nationalen Auswahlprozess betreut. Lobbyarbeit gehört zu seinem Job.
Dieses Jahr sah es lange gut aus für „Toni Erdmann“. Im Mai hatte der Film über eine ehrgeizige Unternehmensberaterin beim Festival in Cannes Weltpremiere gefeiert. Das müsste auch in den USA zum Zeitgeist passen. Doch dann kam der 27. Januar. Und damit platzte die Weltpolitik in die Werbearbeit bei German Films.
Präsident Donald Trump rief an diesem Tag den Einreisestopp aus. Ein Betroffener davon: der Regisseur Asghar Farhadi aus Iran. Dessen Drama „The Salesman“ist ebenfalls im Rennen um den Auslands-Oscar. Das Team hinter dem Film will die Verleihung in Los Angeles boykottieren – und könnte gerade dadurch die Chancen erhöhen.
Zerstört dieses politische Zeichen gegen Trump die Chancen von „Toni Erdmann“? So negativ will Oliver Mahrdt das nicht sehen. „Dadurch, dass sehr viele Academy Member wählen, wird die Politik wieder weniger relevant“, findet er. 6700 Menschen entscheiden über die Oscars.
Viele in Hollywood spekulieren darüber, wie viel Einfluss die politische Großwetterlage diesmal hat. Meryl Streeps Auftritt bei den Golden Globes Anfang Januar hatte diese Debatte befeuert.
Egal ob Produzenten, Filmförderer, PR-Berater, Schauspieler oder ihre Agenten – viele haben ihre ganz eigene Lieblingstheorie, was bei den wichtigsten Kinopreisen der Welt nach ganz oben führt.
Dabei stehen sich zwei Lager gegenüber. Da sind die Künstler, die an die reine Strahlkraft ihrer Arbeit glauben. Handwerkliche Qualität garniert mit einer Prise Zeitgeist bringe den Sieg.
Und da ist eine zweite Gruppe, die daran glaubt, dass Lobbyarbeit hinter den Kulissen bei den Jury-Mitgliedern zum Erfolg führt. Die Mittel ihrer Politik „Marke Hollywood“sind Dinnereinladungen, freundlichoffensive Briefe mit Filmkopien und monatelanges Händeschütteln bei Dutzenden Awardshows in der Oscar-Saison vor der Preisverleihung.
Wenn man alleine auf die Zahl der Nominierungen schaut, scheinen die Macher von „La La Land“das richtige Erfolgsrezept gefunden zu haben: erstmals wieder Der Musikfilm glänzt mit 14 Nominierungen.
Diesmal ist halb Hollywood in „Moonlight“verliebt. Sein Budget lag bei unter fünf Millionen Dollar (unter 4,7 Millionen Euro). Das ist ein Zehntel der Kosten für den ebenfalls in der Hauptkategorie nominierten Alienfilm „Arrival“. Das Drama über Kindheit und Jugend eines schwulen schwarzen Drogendealers erfüllt noch eine weitere Bedingung für einen preiswürdigen Film: Das Werk taugt als Beweis für die angeblich wachsende Toleranz in der Oscar-Wahltruppe. Dieses Mal besitzen sechs der 20 Nominierten in den Schauspielkategorien afroamerikanische Wurzeln, einer indische.
Doch Kunst allein führt nicht zum Erfolg. Hinter den Kulissen ziehen kühle Strategen die Strippen. Niemand beherrscht dieses Geschäft so gut wie die Brüder Harvey und Bob Weinstein. Die beiden sind die Gründer des Produktionsunternehmens Miramax, der Firma hinter OscarHits wie „Der englische Patient“, „Chicago“und „Shakespeare in Love“.
Strippenzieher im Hintergrund
Harvey Weinsteins erste große Kampagne war die für „Mein linker Fuß“, ein Drama, das 1990 zwei Oscars gewann. Weinstein überzeugte den irischen Regisseur Jim Sheridan, nach Los Angeles zu ziehen. Er schleppte ihn dort zu Dinnerevents, auf denen der Regisseur mit Academy-Mitgliedern plaudern konnte. Weil viele Mitglieder im Winter zum Skifahren nach Aspen in Colorado fuhren, organisierte Weinstein ihnen eben dort Vorführungen seiner Filme. Solche Methoden haben Erfolg: Auf mehr als 300 Nominierungen ihrer Filme können die Weinsteins stolz sein. 2017 kamen für das Indien-Drama „Lion – Der lange Weg nach Hause“sechs hinzu.
Auch der Deutsche Marcel Mettelsiefen hat schnell erkannt, wie dieses Spiel läuft. „Watani: My Homeland“heißt sein 40 Minuten langes Werk über die Flucht einer syrischen Familie aus Aleppo nach Goslar. Wer sich mit ihm über seine Chancen in der Kategorie „Bester Kurz-Dokumentarfilm“ unterhält, bekommt eine Antwort ohne Illusionen: „Es geht sehr viel ums Marketing, das, was hier als ,shmooze’ zelebriert wird“, erzählt der 38-Jährige. „,Amy’, der letzte Film, der in der großen Dokumentar-Kategorie gewonnen hat, hat 780 000 Dollar alleine in die OscarKampagne gesteckt. Wenn man dieses Geld nicht hat, dann wird es sehr schwierig“, sagt Mettelsiefen. Den Trend zu schwindelerregenden Zahlen gibt es schon lange. 2002 hatte die „New York Times“geschätzt, dass manche Studios bis zu zehn Millionen Dollar in die Oscar-Kampagne eines Films stecken.
Keine Frage also, die Oscars sind ein Kommerzevent. Es geht um viel Geld: 1,2 Milliarden Filmtickets werden in den USA jedes Jahr verkauft. Weltweit spielen Kinos rund 50 Milliarden Dollar ein. Hinzu kommen Riesensummen für Streaming- und DVD-Lizenzen, Vermarktung und TV-Auswertung. Aber haben die Filme, die das meiste Geld bringen, auch bessere Chancen auf einen Sieg?
Bei der Akademie hat auf jeden Fall zuletzt ein Umdenken eingesetzt. Die Zeiten von elf Oscars für das Liebesepos „Titanic“und den dritten Teil von „Herr der Ringe“sind vorbei. Von den Nominierten für den Hauptpreis hat diesmal noch kein Film mehr als 150 Millionen Dollar eingespielt – in etwa die Grenze dessen, was Hollywood als Blockbuster ansieht. Welcher Film ist Ihr Oscar-Favorit? Stimmen Sie ab unter www.schwaebische.de/ oscar2017