Nicht 17, sondern schon 22 Jahre alt
Mutmaßlicher Mörder von Freiburg wird wohl nach Erwachsenenstrafrecht angeklagt
FREIBURG (dpa) - Der mutmaßliche Mörder sitzt in Haft und schweigt. Sein Fall wirft ein ungutes Licht auf die deutsche Flüchtlingspolitik und hat, noch vor dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember, Debatten ausgelöst. Rechtsmediziner und Behörden sind sich nun sicher: Der junge Flüchtling, der nach dem Mord an einer Studentin in Freiburg festgenommen wurde und bereits zuvor in Griechenland eine schwere Straftat begangen hat, ist deutlich älter, als er bei seiner Einreise angegeben hat. Die juristischen Folgen sind weitreichend. Angeklagt wird Hussein K. nun voraussichtlich nach Erwachsenenstrafrecht.
Dem Mann wird vorgeworfen, Mitte Oktober vergangenen Jahres in Freiburg eine 19 Jahre alte Studentin, die mit dem Fahrrad nachts alleine auf dem Weg von einer Studentenparty nach Hause war, vergewaltigt und ermordet zu haben. Er war Anfang Dezember festgenommen worden und ist seither in Haft. DNASpuren von ihm hatte die Polizei am Tatort gefunden, über Videoaufnahmen in einer Straßenbahn waren die Ermittler ihm auf die Schliche gekommen. Zu den Vorwürfen schweigt er, beraten wird er von seinem Anwalt.
Unbegleitet und minderjährig
Hussein K. war nach Angaben deutscher Behörden im November 2015 ohne Papiere nach Deutschland gekommen. Er stand als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in der Obhut des Jugendamtes und lebte in Freiburg bei einer Pflegefamilie. Seinen Aussagen zufolge stammt er aus Afghanistan und war zur Tatzeit in Freiburg 17 Jahre alt.
Anfänglich vertraute die Justiz, wie zuvor auch das Jugendamt, diesen Angaben. Doch es kamen Zweifel auf, sagt der Leiter der Freiburger Staatsanwaltschaft, Dieter Inhofer. Sie ordnete ein Altersgutachten an, dessen vorläufige Ergebnisse am Mittwoch bekannt wurden: Hussein K. war demnach zur Tatzeit mindestens 22 Jahre alt. Jugendstrafrecht, wie anfangs angenommen, wäre somit ausgeschlossen.
Das haben Röntgenaufnahmen ergeben, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Michael Mächtel. Sie waren richterlich angeordnet worden. Unter anderem wurden Handwurzelknochen, Gebiss und das Schlüsselbein untersucht. Das ist den Angaben zufolge zur Altersbestimmung gängige Praxis. Reden mit Hussein K. konnten die Experten nicht. Auch von den Rechtsmedizinern habe sich der Verdächtige nicht befragen lassen, heißt es.
Erst nach der Festnahme war klar geworden, dass Hussein K. 2013 eine Gewalttat an einer jungen Frau auf der griechischen Insel Korfu begangen hatte. Er wurde in Griechenland zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt und im Oktober 2015 unter Auflagen vorzeitig entlassen. Er tauchte unter und kam als Flüchtling nach Deutschland. Die deutschen Behörden wussten nichts von der kriminellen Vorgeschichte, weil Griechenland nur im eigenen Land fahndete und andere Staaten nicht informierte. So blieb Hussein K. in Deutschland unbehelligt – bis nach dem Mord an der Studentin. Irritationen zwischen der deutschen und der griechischen Regierung waren später die Folge.
Die Freiburger Polizei geht davon aus, dass Täter und Opfer sich nicht kannten. Wann Anklage erhoben wird, steht laut Staatsanwaltschaft nicht fest. Es liefen noch Ermittlungen, hieß es.
Bleibt es beim Erwachsenenstrafrecht, wird der Prozess vor dem Landgericht Freiburg, im Gegensatz zu Jugendstrafrecht, öffentlich sein. Hussein K. droht dann eine lebenslange Gefängnisstrafe – und die Abschiebung. Wegen Suizidgefahr ist er seit Dezember im Gefängniskrankenhaus Hohenasperg bei Ludwigsburg untergebracht.