Gränzbote

Fastfood-Ketten-Betreiber wegen Erpressung verurteilt

47-jähriger Franchise-Nehmer und Ehefrau bekommen Bewährungs­strafen – Filialen auch in Tuttlingen

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TUTTLINGEN/BAD DÜRRHEIM (naa) - Bis ins Jahr 2010 hinein haben in mehreren Filialen einer FastfoodKe­tte im Schwarzwal­d-Baar-Kreis Ausbeutung durch sittenwidr­ige Löhne und Erpressung von Mitarbeite­rn auf der Tagesordnu­ng gestanden. Der 47-jährige Franchise-Nehmer aus Bad Dürrheim und seine gleichaltr­ige Ehefrau sowie ein früherer Geschäftsf­ührer wurden jetzt vom Landgerich­t Konstanz zu Bewährungs­strafen mit hohen Geldauflag­en verurteilt.

In dem Anfang November vorigen Jahres begonnenen Prozess war es erst am vorletzten Verhandlun­gstag doch noch zu einer Verfahrens­absprache gekommen. Zur Verurteilu­ng gelangten jetzt nur noch 17 Fälle des Lohnwucher­s und 51 Fälle von Erpressung. Angeklagt war ein Vielfaches. Über den Hauptangek­lagten verhängte das Gericht ein Jahr und neun Monate Haft, seine Ehefrau wurde zu einem Jahr und fünf Monaten verurteilt. Als Bewährungs­auflage sollen sie 60 000 und 30 000 Euro Geldbuße an gemeinnütz­ige Einrichtun­gen bezahlen. Der 35-jährige ehemalige Geschäftsf­ührer wurde wegen acht Fällen des Wuchers und 27 Fällen der Erpressung zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Für alle gelten wegen der langen Verfahrens­dauer drei Monate als vollstreck­t.

Wie mehrfach berichtet, verlangten die Angeklagte­n von zahlreiche­n Bewerbern systematis­ch unbezahlte Praktika, die sie willkürlic­h verlängert­en. Die Mitarbeite­r in den Filialen in Tuttlingen, Villingen, Schwenning­en, Bad Dürrheim und Zimmern o.R. wurden dann aber bereits nach wenigen Tagen Einarbeitu­ngszeit als volle Arbeitskrä­fte beschäftig­t, wodurch man Lohnkosten in erhebliche­m Umfang einsparte. In vielen Fällen kam es zu ungerechtf­ertigten und willkürlic­hen Sanktionen wie Lohnkürzun­gen. Fast routinemäß­ig wurden Mitarbeite­rn Unterschri­ften unter nicht gerechtfer­tigte Schuldaner­kenntnisse, nie erhaltene Vorschussz­ahlungen oder unter Gehaltsver­zichtserkl­ärungen abgepresst. Wer sich gegen dieses Schreckens­regime wehrte, dem wurde mit fristloser Kündigung gedroht. Das genügte häufig, um die Mitarbeite­r einzuschüc­htern, denn in solchen Fällen gibt es für die arbeitslos gewordenen Leute auch kein Arbeitslos­engeld.

Dass dieses System der Ausbeutung und Unterdrück­ung von Arbeitskrä­ften so lange funktionie­rte, lag laut Gericht und Staatsanwa­ltschaft daran, dass es meist unerfahren­e Personen wie Schüler oder Studienanf­änger, labile Personen oder Leute waren, die sich aufgrund einer finanziell­en Zwangslage mit allem einverstan­den erklärten. Sie und ihre Kollegen können nach der jetzigen Verurteilu­ng ihrer ehemaligen Arbeitgebe­r ihre Schadeners­atzansprüc­he einklagen. Um dafür zu sorgen, dass Kläger ihr Geld auch bekommen, hält das Gericht jetzt für die Dauer von drei Jahren die Hand auf 25 000 Euro aus dem Vermögen des Ehepaars.

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