Lieber Nofretete als Käthe
Wir lieben Frankreich. Das Essen, den Wein, die Literatur. Aber vor allem natürlich dieses Lebensgefühl, das früher von einem Gauloises rauchenden 2CV-Fahrer mit Baguette unterm Arm symbolisiert wurde.
Das Magazin „Stern“hat jetzt von einem Fall berichtet, der zur Frage Anlass gibt, ob unseren Nachbarn langsam die spielerische Selbstsicherheit abhandenkommt. Es geht dabei um etwas, das den Franzosen noch viel wichtiger ist als alle Politik: das Essen. Der distinguierte Gourmet orientiert sich gewöhnlich am Guide Michelin. Wenn ein Restaurant für gut befunden und empfohlen wird, pilgern die Feinschmecker dorthin, dass es eine Art hat.
Jetzt haben aber irgendwelche Hilfskräfte in der Guide-MichelinRedaktion fürchterlich danebengehauen. Sie haben nämlich ein Etablissement, das einer Frittenbude gleichkommt, dekoriert. Das alles geschah nur, weil es zwei Restaurants mit dem schönen Namen „Le Bouche à Oreille“gibt, was so viel heißt wie „Mundpropaganda“. In Deutschland heißen solche Etablissements „Käthes Nachbarschaftseck“, und man weiß, was einen erwartet. Nicht so in Frankreich, wo der Name keinen Rückschluss auf die Qualität zulässt. Die Frittenbude hat ein gigantisches Umsatzplus verzeichnet, zumindest für wenige Tage, bis der Irrtum aufgedeckt wurde. Die Köchin in jenem „Le Bouche à Oreille“heißt übrigens Penelope Salmon, was unter Zuhilfenahme des Englischen mit Nofretete Lachsfilet übersetzt werden könnte. Wir würden allein deshalb lieber dort als in „Käthes Nachbarschaftseck“einkehren. (pla.)