Plan „Q“als Wahlkampfmunition der Sozialdemokraten
SPD-Vorstand beschließt Agenda-2010-Korrekturen von Kanzlerkandidat Martin Schulz - Arbeitgeber und Union kritisieren „Scheinlösung“
BERLIN - „Wer A sagt, muss auch B sagen“, sagt am Montag Andrea Nahles. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz schickt die Bundesarbeitsministerin vor die Hauptstadtpresse, um „sein“Konzept für Agenda-2010-Korrekturen vorzustellen. Mit A meint Nahles die Rente mit 67, und mit B die Notwendigkeit, Menschen zu qualifizieren, damit sie auch so lange im Job bleiben können. Drei Seiten umfasst der einstimmig gefasste SPD-Vorstandsbeschluss, der ein neues „Arbeitslosengeld Q“vorsieht. „Q“steht für „Qualifizierung“.
Damit würde sich der Anspruch für Ältere, die arbeitslos werden und eine zweijährige Umschulung machen, auf bis zu vier Jahre verlängern. Zudem will die SPD die Hürden für den Bezug von Arbeitslosengeld I senken. Voraussetzung dafür soll künftig sein, dass der Betroffene vorher mindestens zehn Monate innerhalb von drei Jahren gearbeitet hat. Bisher liegt die Grenze bei zwölf Monaten innerhalb von zwei Jahren.
Nach drei Monaten haben Arbeitslose laut den SPD-Plänen Anspruch auf ein Qualifizierungsangebot. Das Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger soll auf 300 Euro je Lebensjahr verdoppelt werden. Mehrkosten für Steuer- und Beitragszahler: eine Milliarde Euro pro Jahr.
Eng abgestimmt habe man das Konzept mit Schulz, aber auch mit SPD-Vize Olaf Scholz, erklärt Nahles. Der Rechtsanspruch auf Weiterbildung und der Umbau der Bundesagentur für Arbeit zu einer Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung – Forderungen, die seit Längerem bei der Ministerin auf dem Zettel stehen. Der Vorschlag komme erst jetzt, weil sie vorher bereits 31 andere Gesetze gemacht habe, verteidigt sich Nahles. Nun ist das SPD-Konzept ohne Aussicht auf Realisierung in der Großen Koalition, es stößt auf Ablehnung in der Union und bei den Arbeitgebern. Deshalb wird es wohl zur Wahlkampfmunition für die Genossen.
„Frühverrentungswelle“
Während von den Gewerkschaften Beifall kommt, werden die Pläne in der Union zurückgewiesen. Die CDU erklärt am Montag, sie wolle mit einer Agenda „Deutschland 2025“das Land voranbringen – unter anderem ist eine bessere Förderung von Kindern und Jugendlichen ohne Schulabschluss vorgesehen. „Ich weiß nicht, was sozial gerecht daran sein soll, dass man ältere Arbeitnehmer zum alten Eisen abstempelt“, warnt CDUVize Julia Klöckner vor einer neuen „Frühverrentungswelle“.
Karl-Josef Laumann, Chef der CDA, des CDU-Arbeitnehmerflügels, hält die SPD-Pläne für einen Schnellschuss. „Ich habe den Eindruck, Martin Schulz hat mal wieder vorlaut drauflosgeplappert, und jetzt muss ihn die Arbeitsministerin mit irgendeinem Konzept raushauen. Was da vorgeschlagen wird, ist eine Scheinlösung“, sagt Laumann der „Schwäbischen Zeitung“. Die Gefahr des SPDVorschlags sei, dass die Betroffenen eine Qualifizierung machten und danach noch 24 Monate arbeitslos seien.
Auch die Arbeitgeber reagieren mit Ablehnung auf den ALG-Vorstoß. „De facto will die SPD das Arbeitslosengeld I verlängern. Dass das zu mehr Frühverrentung und zu durchschnittlich längerer Arbeitslosigkeit führen wird, ist absehbar“, erklärte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer.