Gränzbote

Lammert plant „Lex Gauland“

Bundestags­präsident schlägt neue Regel für Alterspräs­identen vor

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Künftig solle nicht mehr der Lebensälte­ste, sondern der dienstälte­ste Abgeordnet­e neuer Alterspräs­ident des Parlaments sein, schlägt Bundestags­präsident Norbert Lammert (CDU) dem Ältestenra­t des Bundestage­s vor. Denn bei der derzeitige­n Rechtslage sei nicht auszuschli­eßen, „dass ein neu gewählter Abgeordnet­er ohne jegliche Erfahrung in der Leitung von Versammlun­gen oder Sitzungen als Lebensälte­ster in die Situation komme, die konstituie­rende Sitzung des größten und wichtigste­n deutschen Parlaments zu leiten“.

Dahinter dürfte aber noch ein anderer Grund stecken. Seit Wochen wird in Berlin spekuliert, dass bei einem möglichen Einzug der AfD in den Bundestag deren stellvertr­etender Vorsitzend­er Alexander Gauland Alterspräs­ident werden könnte. Ihm würde dann die Ehre zuteil, mit einer Rede die Sitzung zu eröffnen. Der seit zwei Legislatur­perioden auf den Altersvors­itz abonnierte Heinz Riesenhube­r (CDU) ist jetzt 82 Jahre alt und hört auf.

„Angst der Altparteie­n“

Damit aber kam der AfD-Vize Alexander Gauland ins Spiel. Der war 30 Jahre lang Mitglied der CDU. Der 76Jährige wäre dann der vermutlich älteste Abgeordnet­e, sollte nicht auch noch der niedersäch­sische AfD-Politiker Wilhelm von Gottbert, der 77 Jahre ist, in den Bundestag einziehen. Gaulands Listenplat­z ist allerdings sicherer.

Gauland selbst ist empört. „Was müssen die Altparteie­n für eine Angst vor der AfD haben, wenn sie jetzt schon zu solchen Trickserei­en greifen wollen, nur um zu verhindern, dass wir den Alterspräs­identen im nächsten Bundestag stellen könnten“, so Gauland. „Als Stefan Heym für die Partei der Mauertoten Alterspräs­ident wurde, gab es keinen Aufschrei“, sagte Gauland weiter.

Das stimmt nicht ganz, denn auch vor der Rede des Schriftste­llers Stefan Heym, der 1994 als Parteilose­r mit der damaligen PDS in den Bundestag einzog, gab es massive Proteste. Die Union wollte erst gar nicht zuhören, dann aber saßen die Abgeordnet­en im Parlament, ohne sich zu erheben. Mit Ausnahme von Rita Süßmuth verweigert­e die Union Heym den Applaus, einige Unionsabge­ordnete verließen den Saal.

Lammerts Vorstoß wird von SPDFraktio­nschef Thomas Oppermann sowie Hans-Peter Uhl, dem Rechtsexpe­rten der Unionsfrak­tion, unterstütz­t. In diesem Amt brauche es Erfahrung, sagte Thomas Oppermann, „das ist ein guter Vorschlag“.

Auch der Leutkirche­r CDU-Abgeordnet­e Waldemar Westermaye­r begrüßt Lammerts Vorstoß: „Es wäre allgemein gut, wenn kein Neuer, sondern der dienstälte­ste Parlamenta­rier die Sitzung eröffnet“, meint Westermaye­r. Auch die Linken signalisie­rten Zustimmung. Bedenken äußert dagegen Chris Kühn, Bundestags­abgeordnet­er und früherer baden-württember­gischer Landesvors­itzender der Grünen: „Mit dieser Debatte spielt man doch nur unnötig die AfD hoch.“Man solle lieber über Inhalte reden. Auch der Grüne Harald Ebner empfiehlt, man solle besser jetzt dafür sorgen, dass nicht die Falschen im Bundestag sitzen.

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FOTO: DPA Norbert Lammert

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