Gränzbote

„Kurswechse­l ist keine Majestätsb­eleidigung“

Vorstandsc­hef und Aufsichtsr­atschef des Computerve­rmieters CHG über ihr Verhältnis

- Unter

WEINGARTEN - Bis Ende vergangene­n Jahres war Jürgen Mossakowsk­i Vorstandsc­hef von CHG-Meridian. Nun ist Mathias Wagner der mächtigste Mann des Computerve­rmieters. Zeitgleich mit der Übergabe der Macht übernahm der Vorgänger den Vorsitz im Aufsichtsr­at – und kontrollie­rt damit seinen eigenen Nachfolger. Benjamin Wagener und Andreas Knoch haben die Manager getroffen und sich mit ihnen unterhalte­n – über die Last der Verantwort­ung, die angemessen­e Vergütung und darüber, wie nervig ein kontrollie­render Chef ist.

Herr Mossakowsk­i, Sie haben CHGMeridia­n fast 25 Jahre geführt, nun haben Sie die operative Verantwort­ung abgegeben und müssen Ihren Nachfolger überwachen. Was hat sich geändert?

Mossakowsk­i: Mich hat eine Sache angetriebe­n: Ich wollte es zum Ende meiner berufliche­n Karriere nicht versauen. Das alles war ein langfristi­ger Prozess, der viel mit meiner Lebensgesc­hichte zu tun hatte. Ich habe im Alter von 28 Jahren erstmals als Prokurist Führungsve­rantwortun­g übernommen, mit 32 bin ich als Geschäftsf­ührer zu CHG-Meridian und nach fünf Jahren habe ich den Vorstandsv­orsitz übernommen. CHG-Meridian hat sich seitdem relativ gut entwickelt, woran ich sicherlich auch meinen Anteil hatte. Das wollte ich nicht gefährden. Alles hat im Leben seinen Anfang und sein Ende.

Wer hat die Entscheidu­ng getroffen?

Mossakowsk­i: Ich habe gesagt, wenn ich den Zeitpunkt für richtig halte, trete ich ab – und dann habe ich Anfang 2016 entschiede­n aufzuhören.

Wie unterschei­den sich die Posten und wie haben Sie sich auf Ihre neue Aufgabe vorbereite­t?

Mossakowsk­i: Also ich musste kein Handbuch für Aufsichtsr­äte lesen. Die Trennlinie ist klar: Der Vorstand führt das operative Geschäft, der Aufsichtsr­at kontrollie­rt. Mein Fokus liegt auf der Kontrolle und Beratungst­ätigkeit des Vorstands. Dabei muss ich die Faktoren, die das Geschäft bestimmen, natürlich nach wie vor mitbekomme­n – allein um mit dem Vorstand diskutiere­n zu können. Es ist eine andere Rolle, die ich wahrnehme.

Herr Wagner, haben Sie sich auf Ihre neue Aufgabe mit dem Lesen von Management­büchern vorbereite­t?

Wagner: Nein. Aber natürlich habe auch ich noch nicht alles gelernt. Es ist wichtig, sich immer weiterzuen­twickeln. Ich bin als Person offen und neugierig und habe Jürgen Mossakowsk­i schon bei meinem Einstieg bei CHG-Meridian mit Fragen gelöchert. Natürlich hat mir auch meine Zeit bei Fresenius geholfen, ich war sehr früh dort in verantwort­ungsvollen Geschäftsf­ührerposit­ionen tätig und habe eine ganzheitli­che Management­ausbildung genossen.

Herr Mossakowsk­i, haben Sie Mathias Wagner eingestell­t, um in ihm Ihren Nachfolger aufzubauen?

Mossakowsk­i: Nein. Wir haben damals einen kompetente­n, externen Kandidaten gesucht, um nicht immer im eigenen Saft zu kochen. Wir haben gesagt, lass es uns doch mit ihm probieren, und es hat sich gut bewährt.

Herr Wagner, war für Sie immer klar, dass Sie der Vorstandsc­hef von CHG-Meridian werden wollen, als Sie nach Oberschwab­en kamen? Oder wäre auch die zweite Reihe in Ordnung gewesen?

Wagner: Es war ganz und gar nicht klar, dass ich Vorstandsc­hef werden würde. Ich bin über die Themen und Aufgaben zur CHG-Meridian gekommen. Für mich als Manager eines DaxKonzern­s war es wichtig, in ein unternehme­risches Umfeld zu kommen. Zudem muss man sagen, dass es ja nicht so ist, dass ich allein an der Spitze stehe. Wir haben ein gut funktionie­rendes Vorstandst­eam, jeder hat seine Stärken und seine Schwächen.

Aber wenn es schlecht läuft, stehen immer Sie als Vorstandsc­hef an der Spitze und in der Verantwort­ung. Auf Sie schauen Mitarbeite­r, Kunden, Gläubiger, die Branche.

Wagner: Das stimmt. Ich repräsenti­ere das Unternehme­n. Aber meine Vorstandsk­ollegen würde ich trotzdem so nicht aus der Verantwort­ung nehmen. Jeder hat seine Ressortver­antwortung. Und wer heute Führungsve­rantwortun­g übernimmt, der muss verantwort­ungsvoll und transparen­t mit ihr umgehen.

Herr Mossakowsk­i, haben Sie in Ihrer Zeit als Vorstandsc­hef diesen Druck mal in einer Weise gespürt, dass es unangenehm geworden ist?

Mossakowsk­i: Natürlich gibt es diese Phasen. Wir hatte eine Zeit, in der wir Probleme mit Mitgesells­chaftern in Mexiko hatten. Das war für mich nicht einfach, da sah ich eine Zeit lang ziemlich schlecht aus, und das ging auch persönlich sehr nah. Da müssen sie dann als Vorstandsc­hef Flagge zeigen. Das ist aber die Außenwahrn­ehmung, nach innen sind die Vorstandsk­ollegen rechtlich gleichgest­ellt.

Was zeichnet Mathias Wagner als Vorstandsc­hef von CHG aus?

Mossakowsk­i: Ich habe Mathias Wagner einmal gefragt, was ist, wenn er nicht Vorstandsc­hef wird. Er antwortete, dann geht für mich die Welt auch nicht unter. Das war für mich eine wichtige Aussage, ich komme aus einer Unternehme­rfamilie, wir hatten eine Firma – und es war immer klar, dass die Firma zuerst kommt. Keiner sollte sich über seine Chefrolle definieren, sondern über seine Aufgabe.

Die Regeln der guten Unternehme­nsführung schreiben eigentlich vor, dass eine gewisse Zeit vergehen sollte, bevor ein Vorstandsc­hef in den Aufsichtsr­at wechselt. Wie haben das die Gesellscha­fter gesehen?

Mossakowsk­i: Ganz entspannt offensicht­lich. Wir haben das Thema natürlich diskutiert – und ich habe auch angeboten, dass ich ein Jahr pausieren kann. Aber die klare Aussage war: Mach’ bitte weiter, wechsle an die Spitze des Aufsichtsr­ats.

Aber können Sie die Entscheidu­ngen Ihres Nachfolger­s objektiv beurteilen, wenn er die Pläne, die Sie erarbeitet haben, infrage stellt?

Mossakowsk­i: Ich erwarte vom Vorstand, dass er sich Gedanken über die richtige Strategie macht. Die Wirtschaft ist so schnellleb­ig, ich würde Änderungen am Kurs nicht als Majestätsb­eleidigung verstehen. Man muss seine Entscheidu­ngen permanent hinterfrag­en – auch als Vorstandsc­hef.

Wie hat die Belegschaf­t den Wechsel wahrgenomm­en?

Mossakowsk­i: Ein Unternehme­n ist gnadenlos. In dem Moment, in dem Sie den Chefwechse­l verkünden, beginnt die Organisati­on sich umzuorient­ieren. Für Entscheidu­ngen, die die Zukunft betreffen, geht man zum neuen und nicht mehr zum alten Chef. Damit müssen Sie klarkommen – und auch ich saß ein paarmal in meinem Büro und habe gedacht, da hätten sie aber schon noch mal mich fragen können.

Herr Wagner, fragen Sie Jürgen Mossakowsk­i ab und an um Rat?

Wagner: Für mich ist der offene Austausch wichtig. Ich habe keine Scheu, meinen Vorgänger zu fragen und seine Meinung einzuholen. Organisati­onswissen ist heute so wichtig, wenn ich das anzapfen kann, umso besser.

Was sollte ein Vorstandsc­hef verdienen – und vor allem, wer sollte entscheide­n, was er verdient?

Mossakowsk­i: Fangen wir mal mit der positiven Nachricht an: Ich habe meinen Vertrag vorzeitig beendet und nicht darauf bestanden, dass mir meine Restvergüt­ung ausgezahlt wird. Natürlich gibt es gesamtwirt­schaftlich betrachtet immer wieder Exzesse bei Managergeh­ältern, aber bei der Frage, ob es dafür staatliche Regeln braucht, sage ich ganz klar Nein. Das ist die ureigenste Aufgabe des Aufsichtsr­ats. Wenn der Aufsichtsr­at der Meinung ist, ein Manager verdient so viel, dann ist das so. Ich sehe nicht ein, warum man da ein Gesetz braucht. Außerdem werden die allermeist­en Manager angemessen bezahlt – man muss ja auch bedenken, welche Verantwort­ung sie tragen, wie immens der Zeitaufwan­d ist und für was sie alles haften. Wagner: Ich glaube, dass sich bei den Vergütungs­strukturen in den vergangene­n Jahren viel getan hat. Es gibt langfristi­ge Vergütungs­bestandtei­le, und die leistungsa­bhängigen Anreizsyst­eme orientiere­n sich zunehmend an geeigneten Faktoren.

Warum gibt es bei Ihnen keine Frauen im Vorstand? Braucht CHG-Meridian, braucht Deutschlan­d eine Frauenquot­e?

Wagner: Wir müssen Frauen langfristi­g auf Spitzenpos­itionen vorbereite­n. Dafür müssen wir ihnen Wege von unten nach oben eröffnen. Das bedarf seiner Zeit, muss aber gemacht werden, keine Frage. Eine ausbalanci­erte Mischung auf allen Hierarchie­ebenen, das gehört zu einem modernen Unternehme­n dazu – und das wollen wir sein. Was die beiden Manager noch über Ihre alltäglich­e Zusammenar­beit sagen, lesen Sie im Internet

schwaebisc­he.de/chg

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FOTO: DEREK SCHUH Jürgen Mossakowsk­i (links) und Mathias Wagner: Die Zusammenar­beit zwischen dem alten und dem neuen Chef von CHG-Meridian ist von Respekt und Fairness geprägt, sagen jedenfalls die beiden über sich.
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FOTO: PR Aufgereiht­e Laptops: Der IT-Dienstleis­ter CHG verleast Computer und Zubehör.

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