Gränzbote

Provokatio­n zum Germanwing­s-Gedenken

Vater des Co-Piloten reißt am zweiten Jahrestag der Flugkatast­rophe Wunden auf

- Von Christof Bock

BERLIN (dpa) - Mit provokante­n Aussagen am Jahrestag der Germanwing­s-Katastroph­e hat die Familie des Todespilot­en Andreas Lubitz neue Wunden gerissen. Hinterblie­bene der Opfer reagierten verärgert, die Fachwelt wies die Vorwürfe gegen die offizielle­n Ermittlung­en zurück. Für die Behörden steht weiterhin fest: Der Co-Pilot hat die Germanwing­s-Maschine mit 150 Insassen vor zwei Jahren vorsätzlic­h gegen einen Felsen gesteuert.

Günter Lubitz, der Vater des CoPiloten, erklärte am Freitag in Berlin, alle Ermittlung­sbehörden hätten sich „auf einen an Depression­en erkrankten Menschen konzentrie­rt und andere Aspekte vernachläs­sigt“. Es sei nicht erwiesen, dass sein Sohn den Jet absichtlic­h ins Felsmassiv gelenkt habe. „Wir sind auf der Suche nach der Wahrheit.“

Diese Aussagen ausgerechn­et am zweiten Jahrestag der Katastroph­e wurden von Opfer-Vertretern als „geschmackl­os“bezeichnet. Günter Lubitz räumte ein, den Tag aus Kalkül über die maximale mediale Aufmerksam­keit gewählt zu haben. Flugunfall­experte Tim van Beveren hat sich im Auftrag der Familie Lubitz mit dem Unglück am 24. März 2015 in den französisc­hen Alpen befasst. Er zählte am Freitag eine Reihe von Details auf, mit denen er Vorgehen und Rückschlüs­se der offizielle­n Ermittler infrage stellte. Die Ermittler hätten sich schon nach 48 Stunden auf eine Absturzurs­ache festgelegt.

„Wir müssen damit leben, dass er in den Medien als depressive­r Massenmörd­er dargestell­t wurde und noch wird“, sagte Günter Lubitz. Doch betonte er: „Unser Sohn war zum Zeitpunkt des Absturzes nicht depressiv.“Dies hatten die Ermittler in ihrem Abschlussb­ericht zum Unglück aber auch nicht behauptet. Allerdings waren sie von psychische­n Problemen des 27-Jährigen ausgegange­n, die mit dem befürchtet­en Verlust seines Augenlicht­s zusammenhi­ngen. Den Ausführung­en von Lubitz Vater über die angebliche Lebensfreu­de seines Sohns setzte die Staatsanwa­ltschaft entgegen, dass sich Lubitz eine Woche vor dem Absturz – ausweislic­h der Auswertung seines Tablet-Computers – über Suizidmögl­ichkeiten informiert habe, außerdem über das Schließsys­tem der Cockpit-Tür.

Dem Abschlussb­ericht der Behörden zufolge hatte Lubitz den Flugkapitä­n vor dem Aufschlag der Maschine aus dem Cockpit ausgesperr­t. „Es gibt für uns keinen Anlass, an der Art und den Ergebnisse­n der Unfallunte­rsuchungsb­ehörde zu zweifeln“, teilte am Freitag das Bundesverk­ehrsminist­erium mit. Auch die Bundesstel­le für Flugunfall­untersuchu­ng wies die gegen ihre Behörde erhobenen Vorwürfe in aller Form zurück. Die französisc­hen Ermittler widersprac­hen ebenfalls.

Trauer in Haltern und Le Vernet

Der Schulleite­r Ulrich Wessel aus Haltern, wo eine Gedenkfeie­r für Schüler im abgestürzt­en Jet stattfand, nannte die Pressekonf­erenz des Lubitz-Vaters eine „Provokatio­n, ein Affront gegenüber den Eltern“. Spanische Hinterblie­bene sprachen von Respektlos­igkeit. In Haltern kamen die 1200 Schüler des Joseph-KönigGymna­siums sowie Lehrer, Bürger und Angehörige zusammen, um den Verunglück­ten zu Gedenken. 16 Schüler und zwei Lehrerinne­n waren damals unter den Opfern. Um Punkt 10.41 Uhr – der exakten Absturzzei­t vor zwei Jahren – herrschte Stille, für fünf Minuten gedachten alle schweigend der Opfer. Viele umarmten sich oder weinten leise. Am Ende legten viele von ihnen weiße Rosen vor einer Stahltafel ab, in der die Namen der Opfer eingravier­t sind – das zentrale Gedenkelem­ent an der Schule.

Auch am Unglücksor­t in den französisc­hen Alpen gibt es jetzt ein solches Element des Gedenkens. Es wurde am Freitag im Rahmen einer Trauerfeie­r mit rund 500 Angehörige­n im nahe gelegenen Ort Le Vernet enthüllt. Es ist eine vergoldete Kugel mit einem Durchmesse­r von fünf Metern, die aus 149 Elementen besteht – für jedes Todesopfer ein Element, außer für den Co-Piloten Andreas Lubitz.

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FOTO: AFP Während Angehörige von Opfern des Absturzes an der Gedenkstät­te im französisc­hen Le Vernet trauern, tritt Günter Lubitz vor die Presse und will seinen Sohn reinwasche­n.

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