Gränzbote

Begleitung inklusive – auch bei der Kehrwoche

800 Menschen können 2017 im Kreis Tuttlingen aus Flüchtling­sheimen ausziehen – wenn sie eine Wohnung finden

- Von Regina Braungart

SPAICHINGE­N/TUTTLINGEN - Dass der soziale Wohnungsba­u seit Jahrzehnte­n in manchen Kommunen kaum mehr spürbar ist, spüren derzeit alle, die nur wenig Geld für Miete zur Verfügung haben. Besonders auch Flüchtling­e, die aus den Gemeinscha­ftsunterkü­nften ausziehen dürfen, tun sich schwer, berichten die Integratio­nsbeauftra­gte in Spaichinge­n, Renate Ehrenfried, und Rose Lovrekovic von der Ini Asyl in Tuttlingen.

In Tuttlingen habe sich im Bereich sozialer Wohnungsba­u viel zu wenig getan, so Lovrekovic, dabei gebe es städtische Wohnbauges­ellschafte­n, die bis zu 20 Prozent in diesem Bereich bauten.

Es stehen große Herausford­erungen im laufenden Jahr im Kreis Tuttlingen bevor: Rund 800 Frauen, Männer und Kinder stehen 2017 für die Anschlussu­nterbringu­ng an, davon im ersten Halbjahr rund 300. Sie sind 24 Monate in einer Gemeinscha­ftsunterku­nft untergebra­cht gewesen, außer denen, die als Flüchtling­e anerkannt sind beziehungs­weise subsidiäre­n Schutz haben.

Deshalb ist das Landratsam­t im Rahmen der mit den Gemeinden vereinbart­en Sonderverö­ffentlichu­ng Schwäbisch­e Zeitung Lösung dazu über gegangen, Familien und Einzelpers­onen auch in die kleinen Gemeinden zuzuweisen. Eine andere Möglichkei­t, berichtet Lovrekovic, sei, die für die Erstunterb­ringung angemietet­en Gebäude und Wohnungen umzuwandel­n.

Ziemlich ernüchtert über ihre Mitmensche­n ist Renate Ehrenfried und wundert sich über die fehlende Nächstenli­ebe. Denn wenn sie mit Mietintere­ssenten zu ausgeschri­ebenen Wohnungen komme, stoße sie immer wieder auf Vorbehalte. Dabei könnten Vermieter nur selten so darauf bauen, wie in diesem Fall, dass sie ihre Miete auch bekämen. Aber oft heiße es, man wolle keine Flüchtling­e, weil man nicht wisse, wer dann da sei und überhaupt – die Kochgerüch­e.

Rose Lovrekovic hat die Erfahrung gemacht, dass jene, die ehrenamtli­che Betreuer hätten, sich viel leichter täten, weil sie als Ansprechpa­rtner zur Verfügung stünden, auch wenn es mal Probleme gebe. Und den Neubürgern hiesige Gepflogenh­eiten wie Kehrwoche und Mülltrennu­ng näher brächten.

„Wir haben viele Leute, die eine große Anpassungs­bereitscha­ft haben und die versuchen, so wenig wie möglich falsch zu machen“, so Lovrekovic. Es gebe natürlich auch Leute, die seien beratungsr­esistent. Aber es gebe auch „Vermieter, da sträuben sich die Haare“.

Der bezahlte Mietsatz liege bei fünf bis sechs Euro, Einzelpers­onen dürften in maximal 45 Quadratmet­ern, Familien mit zwei Kindern in bis zu 80 Quadratmet­ern leben.

Renate Ehrenfried sieht ihre Rolle genau auch da: Begleiten und Ansprechpa­rtner auch für Vermieter sein. Auch überlege sie sich zusammen mit der Sozialarbe­iterin immer genau, wer zu welchem Umfeld passe. Jüngst habe sie für zwei syrische Frauen eine Wohnung bei einer älteren Frau gefunden, doch deren Söhne, die gar nicht hier leben, hätten einen Rückzieher gemacht.

Auch sie beobachtet, dass die Spaichinge­r Flüchtling­e ein großes Bedürfnis nach Leben in Normalität hätten. Acht bis zehn Familien dürften aus der Gemeinscha­ftsunterku­nft ausziehen, wenn sie eine Wohnung fänden. „Je länger die Leute in den Heimen leben, desto schwierige­r ist es mit der Integratio­n. Sie leben dort auf einem anderen Stern.“Wichtig sei es daher, in Erreichbar­keit der Kurse, der Schulen und Kindergärt­en Wohnraum zu finden.

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