Viel Echtes und ein bisschen was Unechtes im Engel zu Langenargen
Fangen wir mit den weniger schönen Sachen an, dann haben wir es schnell hinter uns: Die weiße Mousse im Engel in Langenargen, vom vollendet aufmerksamen Kellner als „hausgemacht“gepriesen, ist es nicht – zumindest nicht in dem Sinn, in dem sich der Gast das bei einer solchen Ankündigung erwartet. Der Masse fehlt die Leichtigkeit von frisch aufgeschlagener Sahne und Eiern. Ihr Geschmack ist flach, sie ist viel zu kompakt, fast wie ein Griespudding. Immerhin räumt der Kellner auf weitere Nachfrage ein, dass die Mousse zwar im „Haus gemacht“werde, sie aber nicht auf die klassische Art entstehe. Aha. Soviel Ehrlichkeit verdient auf jeden Fall Respekt – macht das Dessert aber auch nicht besser. Der begleitende Bombardino, ein Gemisch aus Eierlikör, Weinbrand und Zucker wäre zu einer echten Mousse aber gewiss eine schöne Ergänzung. Und nun zu den guten Nachrichten, die es im Traditionshaus direkt am Bodenseeufer reichlich gibt. Da wäre zunächst das Restaurant an sich, geteilt in einen modernen Teil mit viel Holz und nervenberuhigenden Erdfarben. Von der Decke hängen Lampen in der Form überdimensionierter Vogelnester. Der Speisesaal direkt am See ist indes der ideale Ort für Nostalgiker. Das Mobiliar glänzt hier mit mondänen Rundungen. Viel Gold, Kronleuchter, Säulen und eine Kassettendecke. Und so nah am Wasser gebaut, dass der Gast den Bodensee heransäuseln hören könnte, würden die Gäste nicht so vergnügt mit dem Besteck klappern. Den Bedienungen merkt man an, dass sie schon lange im Engel Dienst tun. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb sie ihre Gäste so fürsorglich behandeln, als sei der Engel ihr persönliches Wohnzimmer. Die Speisekarte bildet die Nähe zum Wasser mit einem umfangreichen Fischangebot sehr gut ab, obwohl der überwiegende Teil wie überall wohl auch im Engel kein Wildfang mehr aus dem Bodensee sein dürfte. Doch dieser Umstand ist nicht weiter betrüblich, weil es vor allem darauf ankommt, was man daraus macht. Mit der ausgezeichneten Fischsuppe als Vorspeise zeigt das Haus jedenfalls, dass es Fisch sehr gut kann: Gleich drei Filetstücke – in Butter knusprig auf der Haut gebraten – zieren den kräftigen Sud. Eindeutig identifizierbar ist der Saibling – zart-rötlich und saftig. Die Kollegen sind vermutlich Felchen und Forelle. Allesamt aber grätenfrei und frisch. Zarte Gemüsestreifen sorgen für Biss, das in Knoblauchbutter geröstete Baguette rundet den Suppengenuss perfekt ab.
Neben dem Fisch stellt der Engel die Klassiker schwäbischer Gutbürgerlichkeit in den Mittelpunkt. Als überaus intensive Angelegenheit stellt sich die geschnetzelte Kalbsleber mit Spätzle heraus. Die Innerei ist nur kurz und scharf gebraten, sodass sie sämtlichen Saft auch am Tisch noch behält. Nicht weniger als ein Gedicht ist die dazu servierte dunkle Sauce, in deren geschmacklichen Tiefen sich Rotwein, dunkle Röstaromen und Anklänge von Karamell herauslesen lassen. Für den Soßen-Schwaben reicht sogar die Menge. Überflüssig zu erwähnen, dass die Spätzle das ideale Medium sind, um die Tunke aufzunehmen. Übrigens: Wer so ein tolles Sößchen hinbekommt, für den wäre auch eine himmlische, echte Mousse als Dessert sicher kein Problem.