Gränzbote

Der Entzaubert­e

Nach dem Scheitern seiner Gesundheit­sreform will sich Donald Trump den Steuern widmen

- Von Frank Herrmann und dpa

WASHINGTON - Nach dem Scheitern ihrer Gesundheit­sreform im Parlament bemühen sich US-Präsident Donald Trump und die Republikan­er um Schadensbe­grenzung. Jetzt will sich Trump einem anderen großen Wahlverspr­echen zuwenden: „sehr, sehr starken“Steuersenk­ungen. Dies im Kongress durchzuset­zen, könnte aber auch schwierig werden.

Trump machte am Wochenende die Demokraten für das unrühmlich­e Ende der Gesundheit­sreform verantwort­lich – obwohl seine eigene Partei im Repräsenta­ntenhaus eine bequeme Mehrheit hat. Doch mehrere seiner Parteikoll­egen wiesen mit dem Finger auf den US-Präsidente­n, der es nicht geschafft habe, das Gesetzeswe­rk in den eigenen Reihen durchzubri­ngen. Die Republikan­er hatten die Gesetzesvo­rlage am Freitag kurz vor der Abstimmung im Repräsenta­ntenhaus zurückgezo­gen, weil keine Mehrheit in Sicht war.

Flexibler Geschäftsm­ann

Trump würde Nägel mit Köpfen machen, so hatte er sich selbst verkauft. Im Wahlkampf gab er den flexiblen Geschäftsm­ann, der etwas vom Verhandeln versteht und daher durchsetze­n wird, woran Generation­en inkompeten­ter Berufspoli­tiker gescheiter­t sind. „Ich allein kann es in Ordnung bringen“, das war der Satz, in dem seine Anmaßung gipfelte. Dass der Immobilien­mogul an seinem ersten großen Gesetzesvo­rhaben gescheiter­t ist, ist deshalb mehr als eine normale politische Niederlage. Es ist ein Moment, in dem er mit aller Härte auf dem Boden einer Realität landete, die er ignoriert hat.

Noch nie in der jüngeren Geschichte der USA hat ein Präsident einen holprigere­n Start hingelegt. Trumps Einreiseve­rbot für Bürger aus bestimmten islamisch geprägten Staaten wurde zweimal von Gerichten blockiert. Der durch nichts belegte Vorwurf, Barack Obama habe ihn abhören lassen, lässt ihn als Lügner dastehen. Die Schlappe bei dem Versuch, Obamas Gesundheit­sreform abzuwickel­n und durch ein abgespeckt­es, angeblich effiziente­res Paket zu ersetzen, offenbart fehlende Kompetenz.

Sieben Jahre hatten die Republikan­er Zeit, um durch eigene Entwürfe zu untermauer­n, was sie unablässig predigten: Obamacare auszutausc­hen. Bei Trump wurde daraus das Verspreche­n, die Reform seines Vorgängers schon am ersten Tag im Oval Office zu kassieren, als bedürfte es dazu nur eines Federstric­hs. Nun sehen die Amerikaner, dass alles nur Getöse war. An kernigen Slogans mangelt es zwar nicht, wohl aber an belastbare­n Alternativ­en, auf die sich die beiden Fraktionen am jeweiligen Ende des republikan­ischen Spektrums einigen konnten: hier gemäßigte Konservati­ve, dort der Tea-Party-beseelte „Freedom Caucus“, der den Staat auf ein Mindestmaß zurechtstu­tzen will.

Nach dem Debakel vom Freitag soll bei der Gesundheit­sreform zunächst alles beim Alten bleiben. Zwar versprach Vizepräsid­ent Mike Pence, der „Obamacare-Alptraum“werde beendet werden. Auch Trump prophezeit­e am Samstag via Twitter, dass Obamacare explodiere­n werde: „Und wir werden alle zusammenko­mmen und einen großartige­n Gesundheit­splan für das Volk zusammenst­ellen.“Ein neuer Anlauf der Republikan­er bei der Gesundheit­sreform scheint aber vorerst unwahrsche­inlich. „Wir müssen auf absehbare Zukunft mit Obamacare leben“, sagte der Vorsitzend­e des Repräsenta­ntenhauses, Paul Ryan.

Bis August will Trump nun eine Steuerrefo­rm durchs Parlament bringen. Sich bei diesem Thema zu einigen, werde den Republikan­ern leicht fallen, orakelt der Entzaubert­e. Doch selbst in den eigenen Reihen gibt es viele, die seinen Optimismus nicht teilen. Zum einen hat ihm die Niederlage der vergangene­n Woche den Wind aus den Segeln genommen. Zum anderen sollte „Trumpcare“spürbar reduzieren, was der Staat im Gesundheit­ssektor ausgibt. Damit sollte das Paket finanziell­en Spielraum für Steuersenk­ungen schaffen – einen Spielraum, der nun fehlt.

Risiko von Handelskri­egen

Zudem dürften sich die zerstritte­nen Fraktionen in die Haare kriegen, sobald um Einzelheit­en gestritten wird. Noch als Kandidat hatte Trump angekündig­t, die Unternehme­nssteuer von 35 auf 15 Prozent zu senken: Moderaten Republikan­ern geht das zu weit. Der protektion­istische Flügel, angeführt vom Chefstrate­gen Steve Bannon, verlangt wiederum die Einführung einer Grenzausgl­eichssteue­r, was darauf hinausläuf­t, Exporte weitgehend von Steuern zu befreien, Importe dagegen zu belasten. Ein solcher Schritt birgt das Risiko internatio­naler Handelskri­ege. Weshalb jene Konservati­ve, die ihre Partei als Verteidige­rin des Freihandel­s verstehen, davor warnen.

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FOTO: AFP Holpriger Start: US-Präsident Donald Trump.

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