„Rheuma ist keine Alte-Leute-Krankheit“
Kathrin Ivenz von der Rheumaliga über die „Volkskrankheit Nummer 1“und wie Betroffenen geholfen werden kann
WURMLINGEN - Rund 1300 Menschen nehmen an Angeboten der Rheuma-Liga Baden-Württemberg im Landkreis Tuttlingen teil. Am Freitag findet in Wurmlingen die Mitgliederversammlung statt, bei der unter anderem die OsteoporoseGesprächsrunde vorgestellt wird. Redakteurin Alexandra Schneid hat sich mit Sozialfachkraft Kathrin Ivenz über die Angebote im Landkreis, die verschiedenen Krankheitsbilder und über betroffene Rheumatiker gesprochen.
Welche Angebote können die über 1000 Rheumatiker im Landkreis Tuttlingen nutzen?
Ehrenamtliche, meist selbst Betroffene, organisieren die Angebote vor Ort. Die Betreuung erfolgt auf mehreren Ebenen. Wir beraten die Rheumatiker beispielsweise in sozialrechtlichen Fragen oder informieren, an wen sie sich wenden können. Außerdem bieten wir Therapiegruppen und weitere Bewegungsprogramme an. Dazu gehören Wassergymnastik und Trockengymnastik. Spezielle Angebote gibt es für Menschen mit Fibromyalgie und Osteoporose. Wir haben rund 50 Therapiegruppen im Landkreis, die gut belegt sind. Bei Interesse können zusätzliche Bewegungsangebote auf die Beine gestellt werden, zum Beispiel Nordic-Walking, Radfahren oder Aquacycling – eben alles abgestimmt auf rheumatische Erkrankungen. In unserem Osteoporose-Gesprächskreis können sich die Betroffenen austauschen. Wir legen Wert darauf, dass nicht gejammert wird. Das ist kontraproduktiv. Mal wird ein Referent dazugeholt, mal unternehmen die Teilnehmer etwas zusammen. Außerdem können die Betroffenen auch an Seminaren teilnehmen, bei denen sie erfahren, wie man mit der Erkrankung leben kann.
Wie verbreitet ist Rheuma?
Zusammen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen zählt Rheuma zu der Volkskrankheit Nummer 1. Rheuma ist für eine große Zahl an Frühberentungen verantwortlich. Können auch junge Leute unter Rheuma leiden? Rheuma ist keine Alte-Leute-Krankheit. Arthrose trifft zwar in erster Linie ältere Menschen. Doch Fibromyalgie kann auch bei Kindern und Jugendlichen auftreten. Ebenso können schon Säuglinge an entzündlichen rheumatischen Erkrankungen leiden. Wenn bei systemischen rheumatischen Erkrankungen Organe, wie Herz und Lunge betroffen sind, kann es lebensgefährlich werden. Was genau eine entzündliche rheumatische Erkrankung auslöst, darüber kann man noch keine klare Aussage treffen. Es müssen mehrere Faktoren zusammenspielen. Für junge Leute ist es oft schwierig, die Krankheit zu akzeptieren. Entzündliches Rheuma verläuft schubweise. Es gibt Tage, an denen die Betroffenen sehr eingeschränkt sind, an anderen Tagen kommen sie eventuell ganz gut zurecht. Das macht es auch für Außenstehende schwierig, die Krankheit einzuschätzen. Gibt es speziell für junge Menschen Angebote? In Baden-Württemberg haben wir 24 Ansprechpartner. Das sind junge Menschen, die selbst betroffen sind und ihre Erfahrungen weitergeben. Der Austausch ist wichtig. Im Landkreis Tuttlingen gibt es zwar junge Rheumatiker, aber noch keinen Ansprechpartner und keine Gruppe. Es wäre schön, wenn wir etwas aufbauen könnten.
Welche verschiedenen Krankheitsbilder gibt es?
Unter die degenerativen Erkrankungen fallen beispielsweise Arthrose und Wirbelsäulensyndrome. Mit steigendem Alter kommt das recht häufig vor. Zu den entzündlichen rheumatischen Erkrankungen gehören zum Beispiel Arthritis, Morbus Bechterew sowie zahlreiche seltene Erkrankungen unter dem Oberbegriff Kollagenosen und Vaskulitiden. Gicht und Osteoporose kommen aus dem Bereich der Stoffwechselerkrankungen. Nicht nur die Gelenke können betroffen sein. Beim Weichteilrheuma schmerzen die Sehnen und Muskeln. Diese Krankheit nennt man Fibromyalgie.
Kann man Rheuma vorbeugen?
Man kann wie bei vielen anderen Krankheiten mit einem gesunden Lebensstil vorbeugen. Regelmäßige und gelenkschonende Bewegung ist wichtig. Bei allen Krankheitsbildern gilt: Je schneller Rheuma erkannt wird, desto besser. Wer früh aktiv wird, bleibt länger beweglich und hat bessere Chancen in Bezug auf den Krankheitsverlauf.
Am morgigen Freitag findet ab 18 Uhr in der Eltahalle in Wurmlingen die Mitgliederversammlung statt. Was erwartet die Besucher?
Wir werden unsere Aktivitäten des vergangenen Jahres vorstellen. Friederike Hagen-Derix, unsere ehrenamtliche Gesprächsgruppenleiterin der Osteoporosegruppe, wird über das Angebot sprechen. Außerdem wird eine Therapeutin einen Vortrag über Funktionstraining bei Rheuma halten.