Vor der ultimativen Reifeprüfung
Friedrichshafens Trainer Vital Heynen sieht vor dem entscheidenden Finalspiel einen „mentalen Vorteil“für Berlin – Häfler hoffen auf ihre Fans
BERLIN - Schlapp, fassungslos, müde: Es hatte was von menschlichen, nassen Sandsäcken, wie die Volleyballer des VfB Friedrichshafen kurz nach dem Matchball in Berlin auf den Stühlen am Spielfeldrand der Berliner Max-Schmeling-Halle saßen. Kein Kopfschütteln, natürlich auch kein Lachen, nur leere Blicke. Die Spieler schienen wohl nicht damit gerechnet zu haben, dass die Berlin Recycling Volleys, wie der amtierende Meister mit vollem Vereinsnamen heißt, sie in dieser Saison überhaupt einmal bezwingen könnten.
Aber jetzt, nach dem 1:3 (26:24, 23:25, 16:25 und 21:25) im zweiten Finalspiel um die deutsche Meisterschaft ist alles wieder offen. Am Sonntag (14.30 Uhr/live auf www.sportdeutschland.tv) steigt in der ZF Arena das Entscheidungsspiel. Das siebte Aufeinandertreffen mit den Hauptstädtern in dieser Saison wird die letzte – und ultimative – Reifeprüfung für die junge Truppe von Trainer Vital Heynen, die Berlin zuvor viermal geschlagen hatten und am Mittwoch dann doch auf dem Boden der Tatsachen landeten. „Wir haben jetzt den Heimvorteil, die Berliner aber den mentalen Vorteil“, sagte Heynen. Nur, welcher Vorteil bringt den Titel?
Nach dem 3:0-Sieg im ersten Finalspiel in Friedrichshafen war sich Heynen noch sicher: „Wenn wir es jetzt nicht packen, dann bin nur ich daran schuld.“Nach der 1:3-Niederlage ist er natürlich weiterhin davon überzeugt, dass sie es schaffen können, sagte allerdings auch: „Ich habe das ganze Jahr schon gesagt, Berlin hat mehr Qualität und ist besser.“Man könne nicht erwarten, die erfahreneren Hauptstädter immer 3:0 aus der Halle zu fegen.
Der VfB glaubt weiter an sich und eben auch an die Meisterschaft. „Ich bin davon überzeugt, dass wir es packen“, sagte Zuspieler Tomas Kocian. Die Mannschaft vertraut auf ihre Heimstärke, ihre Fans und ihre Leistung aus der ersten Finalpartie. Und außerdem: „Daheim Meister zu werden, ist immer geiler“, so Kocian. Tatsächlich konnte in dieser Saison noch kein deutsches Team in der ZF Arena gewinnen, doch die BR Volleys sind ja nicht irgendein deutsches Team – und am Mittwoch haben sie auch noch ihr Friedrichshafen-Trauma überwunden.
Zumal der Titelgewinn für die Berliner noch ein wenig wichtiger ist als den Häflern, die mit dem Gewinn beider nationaler Pokaltitel und dem Gewinn im ersten Spiel schon mehr erreicht haben, als sie sich vor der Saison vorgenommen hatten. In Berlin dagegen brennt trotz der sensationellen, aber dann eben auch glück- und erfolglosen Teilnahme am Final Four der Champions League in Rom, der Baum. Das Management um Kaweh Niroomand ist nicht so wirklich zufrieden mit der noch titellosen Saison, vor allem aber mit Trainer Roberto Serniotti. Der Italiener wird den Club verlassen. Es habe Unstimmigkeiten gegeben, heißt es. Eine offizielle, emotionale Verabschiedung wie beispielsweise für das Urgestein Felix Fischer, der nach 13 Jahren bei den Berlinern seine Karriere beendet, hat es am Mittwoch für ihn nicht gegeben.