CDU-Sieg setzt Kraft in NRW unter Druck
Nach der Pleite in Schleswig-Holstein steht die SPD am Sonntag vor einer Schicksalswahl
BERLIN - Die SPD ist nach der klaren Niederlage bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein alarmiert. Vor allem Hannelore Kraft, SPD-Regierungschefin in Nordrhein-Westfalen, wo am Sonntag gewählt wird, fürchtet jetzt Stimmenverluste. SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz indes impft den Sozialdemokraten Zuversicht ein. Er will sich weiter durch die Fußgängerzonen nordrhein-westfälischer Städte kämpfen und betonte gleich nach der Wahlschlappe, dass man jetzt die Ärmel hochkrempeln wolle. „Wir sind eine solidarische Partei, die für Gerechtigkeit und Zukunftsorientierung steht und weiter kämpft, auch wenn wir schon mal einen Rückschlag einstecken müssen“, sagte Schulz am Montag, als er dem Wahlverlierer und noch amtierenden Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins, Torsten Albig, Blumen überreichte.
Auf Kraft lastet nun ein besonderer Erfolgsdruck, weil die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen die letzte Abstimmung vor der Bundestagswahl ist. Verliert die SPD auch im bevölkerungsreichsten Bundesland der Bundesrepublik, würde das Schulz bei seinem Kampf ums Kanzleramt enorm schwächen.
Beste Stimmung herrschte dagegen im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin. CDU-Chefin Angela Merkel sieht im Votum der schleswig-holsteinischen Wähler einen klaren Regierungsauftrag für ihre Partei unter Führung von Daniel Günther, dem sie zu seinem guten Ergebnis in Kiel gratulierte. Mit dem Erfolg des 44Jährigen, der erst seit November die Partei im Norden führt, hatte man selbst in der CDU nicht gerechnet.
Auch Grüne und FDP sind mit ihrem Abschneiden an der Küste zufrieden. Da abgesehen von einer Großen Koalition nur Dreierbündnisse in Kiel möglich sind, werden die beiden kleinen Parteien jetzt sowohl vom Wahlsieger Günther, der mit ihnen eine „Jamaika-Koalition“bilden will, als auch von der SPD umworben, die eine Ampel nach wie vor für nicht ausgeschlossen hält. Die Grünen bevorzugen eine Ampel, die FDP Jamaika.
BERLIN - Angela Merkel tritt auf die Euphoriebremse, will nichts von einer Vorentscheidung mit Blick auf den 24. September wissen. Ein schöner Tag sei das, über den sich die CDU freue. Dennoch: „Landtagswahl ist Landtagswahl, und Bundestagswahl ist Bundestagswahl“, sagt die Kanzlerin am Tag nach dem CDU-Erfolg in Schleswig-Holstein.
Auf dem Teppich bleiben, bloß nicht abheben, lautet die Botschaft. Es gibt Rückenwind für Merkel aus dem Norden, stark und unverhofft – darum wird der Erfolg von CDU-Nobody Daniel Günther wird am Montag im Konrad-Adenauer-Haus groß gewürdigt. „Der Einsatz hat sich gelohnt“, lobt die Parteichefin den Senkrechtstarter von der Küste.
„Der Sieg gilt erst einmal Daniel Günther“, gratuliert Merkel dem 43jährigen Wahlgewinner von der Förde. „Die Überraschung ist gelungen“, freut sich die Kanzlerin über die Steilvorlage mit Blick auf die Landtagswahl am kommenden Sonntag in NRW und die Bundestagswahl.
Es gibt Blumen für Günther, der Lob und Komplimente gleich wieder zurückgibt. Er habe vom „Merkel-Effekt“profitiert. „Ich bin froh, dass Angela Merkel an unserer Seite stand“, erklärt Günther, für den die Auftritte der Kanzlerin in SchleswigHolstein am Ende mit den Ausschlag für den Erfolg gegeben haben.
Ist die Schulz-Euphorie am Ende? Hat der SPD-Kanzlerkandidat seinen Höhepunkt überschritten? In Schleswig-Holstein jedenfalls konnte CDU-Spitzenmann Günther vor allem wegen des Merkel-Faktors punkten. Für fast die Hälfte aller CDUWähler war laut Umfragen Merkel der wichtigste Grund, die CDU zu wählen. 28 Prozent gaben an, ohne die Regierungschefin nicht den Christdemokraten ihre Stimmen geben zu wollen. Der Erfolg von Kiel ist zudem eine Premiere für Merkel in ihrer Regierungszeit: Das erste Mal seit zwölf Jahren ist es einem CDULandespolitiker aus der Opposition heraus gelungen, stärkste politische Kraft zu werden und womöglich die künftige Regierung als Ministerpräsident zu stellen.
Aufatmen in der CDU-Spitze: Die Kanzlerin habe sich nicht nervös machen lassen, sei trotz der SPD-Aufholjagd in den Meinungsumfragen auf Bundesebene ruhig geblieben und habe sich unbeeindruckt vom Hype um Martin Schulz gezeigt. Dabei waren aus der CSU, aber auch aus den Reihen der CDU Rufe nach einer Kurskorrektur laut geworden.
Nach monatelangem Streit über Merkels Kurs in der Flüchtlingspolitik haben sich CDU und CSU inzwischen auf einen Burgfrieden verständigt. Im Sommer wollen die Schwesterparteien ein gemeinsames Wahlprogramm präsentieren, strittige Punkte ausklammern. Damit dabei nichts schiefgeht, hat Merkel Kanzleramtsminister Peter Altmaier mit der Vorbereitung beauftragt.
Führende Christdemokraten sind erleichtert. „Zwei zu null für Merkel“, heißt es. Während sich Schulz im Häuserwahlkampf mühe, bleibe die Kanzlerin bei ihrer Rolle als besonnene Krisenmanagerin in einer unruhigen Welt. Anfang Juli empfängt sie die Staats- und Regierungschefs beim G20-Gipfel in Hamburg. Seinen ersten Antrittsbesuch wird der neue französische Präsident Emmanuel Macron in Berlin machen.
Mit Spannung blickt die CDUFührung jetzt nach Nordrhein-Westfalen. Gelingt womöglich auch dort eine Überraschung in der Herzkammer der Sozialdemokratie? Merkel zügelt aber erst einmal die großen Hoffnungen ihrer Partei.