Studie: Deutschland profitiert von EU-Indien-Abkommen
Ifo-Institut prophezeit der Bundesrepublik ein Wachstum von 4,6 Milliarden Euro – Hemmnisse im Auto- und Pharmasektor
GÜTERSLOH (dpa) - Die deutsche Wirtschaft würde nach einer Studie von einem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien kräftig profitieren. Deutschland könne in diesem Fall mit einem um jährlich 4,6 Milliarden Euro höheren Bruttoinlandsprodukt kalkulieren, berechnete das Ifo-Institut im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Das sei das höchste mögliche Plus innerhalb der EU nach Großbritannien mit 4,8 Milliarden Euro, das aufgrund seiner Kolonialgeschichte besondere Beziehungen mit Indien pflegt.
Ein echtes Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien ist jedoch noch lange nicht in Sicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) trifft sich heute in Berlin mit dem indischen Premierminister Narendra Modi im Rahmen der Deutsch-Indischen Konsultationen auf Regierungsebene, die seit 2011 alle zwei Jahre stattfinden.
Ein Abkommen habe nicht nur ökonomische Vorteile für beide Seiten, sondern würde grundsätzlich ein wichtiges Zeichen für den Freihandel setzen, sagte Bertelsmann-Asienexpertin Cora Jungbluth. Angesichts von Abschottungstendenzen der US-Regierung unter Präsident Donald Trump und des geplanten Brexits werben globale Konzerne sowie die Europäische Union (EU) für Globalisierung. Zudem könnte das Abkommen dazu beitragen, den Wachstumsmarkt Indien besser für europäische Unternehmen zu erschließen, sagte Jungbluth.
In Deutschland würden besonders Hersteller von Kraftfahrzeugen, Maschinen und Ausrüstung profitieren. Sie könnten ihre Wertschöpfung um bis zu 1,5 Milliarden Euro im Jahr steigern, hieß es. Verlierer wären demnach Dienstleister sowie die Textil- und Bekleidungsindustrie mit einem erwarteten Minus von jeweils mehreren Hundert Millionen Euro. Indien habe in diesen Bereichen – vor allem aufgrund niedrigerer Löhne – einen deutlichen Wettbewerbsvorteil.
Langfristig könnte die indische Wirtschaftsleistung um 1,3 Prozent pro Jahr zusätzlich wachsen, betonten die Autoren. Für die EU berechneten sie ein jährliches Plus von durchschnittlich 0,14 Prozent. Das für Deutschland kalkulierte Plus entspricht 0,15 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Die Autoren betonten, dass kein EU-Mitglied durch ein Abkommen insgesamt Nachteile verspüren würde.
Schutzzölle bei Autoimporten
Bereits seit 2007 laufen die Verhandlungen zwischen Indien und der EU, liegen jedoch seit 2013 offiziell auf Eis. Die größten Hemmnisse aus deutscher Sicht liegen im Automobilund Pharmasektor. Wer fertig montierte Pkw nach Indien einführt, zahlt dafür je nach Größe des Fahrzeugs zwischen 60 und 100 Prozent des Neupreises. Die EU würde diese Hürden auf lange Sicht gerne abschaffen. Indien sähe darin jedoch eine Gefahr für die heimische Produktion, auch durch ausländische Firmen, die – zum Teil abgeschreckt durch die hohen Zölle – indische Standorte aufgebaut haben.
In der Pharmabranche hakt es besonders beim geistigen Eigentum. Indiens gigantische Industrie für Generika – Nachahmermedikamente, die nach Ablauf des Patentschutzes von Originalmitteln günstiger auf den Markt kommen, wird geschützt durch sehr strikte Gesetze. Trotz Patentschutzes können indische Gerichte etwa anordnen, dass ausländische Konzerne Zwangslizenzen an indische Generika-Hersteller vergeben müssen. Ein anderes Gesetz erschwert, dass der Patentschutz für ein Medikament verlängert wird, obwohl der Hersteller es in der Zwischenzeit verbessert hat.