Gefährlicher Strategiewechsel
Die Personalrochade zwischen Berlin und Schwerin nach dem gesundheitlich bedingten Rücktritt von Erwin Sellering zeigt, wie verzweifelt die Stimmung bei den Sozialdemokraten vier Monate vor der Bundestagswahl sein muss. Nach den Debakeln der vergangenen Monate braucht Parteichef und Kanzlerkandidat Martin Schulz dringend persönliche Erfolgserlebnisse. Er muss zudem bei den zunehmend mut- und ratlosen Genossen das Wahlkampffieber entfachen. Also baut Schulz sein Führungsteam um und greift Kanzlerin Merkel in ihrem Kompetenzfeld, der Außenpolitik, frontal an. Die neue Strategie des Herausforderers birgt jedoch ein Risiko, weil Deutschland dafür einen hohen Preis bezahlen könnte.
Der Wechsel von Katarina Barley zu Hubertus Heil an der Parteispitze ist für die SPD ein logischer Schritt. Barley war als Generalsekretärin integrativ und effizient, aber zu harmlos. Ihre Schläge gegen die politischen Gegner trafen selten ins Ziel. Ganz anders Heil, der aus der Abteilung Attacke kommt. Zwar hatte die Partei unter dem früheren Generalsekretär Heil 2009 den schlimmsten Wahlabsturz ihrer Nachkriegsgeschichte erlebt, doch Schulz gibt dem erfahrenen Kämpfer und Organisator eine zweite Chance, weil er mehr Aggressivität und Schärfe im bislang trägen Wahlkampf braucht.
Doch genau hier fängt das Problem an. Weil Merkel auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit unangreifbar bleibt und die rote Gerechtigkeitskampagne die Wähler nicht erreicht, will sich die SPD nun mit außenpolitischer Härte beliebt machen. Das geht am einfachsten mit lauter Kritik am unzuverlässigen Partner USA. Schulz geht darin viel weiter als die Kanzlerin und er begibt sich auf dünnes Eis, wenn er Donald Trump mit autoritären Herrschern vom Schlag Putins und Erdogans gleichsetzt und den US-Präsidenten beschuldigt, alle westlichen Werte „vernichtet“zu haben. Der Sozialdemokrat provoziert damit eine neue Eskalationsstufe und belastet ohne Not das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Berlin und Washington. Verantwortungsvolle Politik geht anders. a.makartsev@schwaebische.de