Eine Rede macht noch keine Wende
Warum nur? Warum ist die SPD nach dem SchulzHoch wieder so tief in der Gunst der Wähler abgestürzt? Erklären lässt sich das nicht. Zumindest nicht allein mit der Leistung von SPD und Union. Die SPD rackert sich ab, präsentiert ihre Konzepte für Steuern und Rente, beide respektabel. Sieht das denn niemand, honoriert das denn niemand? Das fragen sich verzweifelte Genossen.
Martin Schulz thematisiert das Dilemma und will damit den Angriff führen: Hier sind die Sozialdemokraten mit klaren Ansagen, dort die Union, die schwammig bleibt, die zur Zeit wurstelt. Angela Merkel (CDU) setzt weiter auf das „Sie kennen mich“. Doch vielleicht liegt es auch gar nicht an Angela Merkel, sondern an Recep Tayyip Erdogan, an Donald Trump und an Wladimir Putin, dass die Deutschen das Gefühl haben, mit der Kanzlerin halbwegs auf Nummer sicher zu gehen.
Martin Schulz hat es in dieser Situation schwer, das Blatt zu wenden. Der Kanzlerkandidat müsse eine Mischung aus Frankreichs neuem Präsidenten Emmanuel Macron und dem britischen Labour-Chef Jeremy Corbyn sein, „gerne mit einer Prise Bernie Sanders“, hat der ehemalige SPD-Vorsitzende Björn Engholm ihm gerade geraten. Schulz setzt aber nicht auf Vorbilder, er bleibt authentisch. Schulz nimmt schlicht und einfach das SPD-Programm als Grundlage für den Wahlkampf. Mehr Gerechtigkeit heißt hier der Leitfaden.
Doris Schulz, seine Schwester, schwärmt heute noch vom Redetalent ihres Bruders, der auf dem Fußballfeld den Geist beschwören konnte, ein 0:3 in einen Sieg umzuwandeln. Doch Schulz wirkte in Dortmund ein bisschen verzagt. Er weiß, dass von ihm Wunder erwartet werden, dass aber eine einzelne Rede, ein einzelner SPD-Parteitag nichts ändern kann. Dazu bräuchte man eine längere Strecke, viel Wahlkampf und am Ende wohl auch einen dicken Fehler von Angela Merkel. Denn bislang ist in Deutschland – von Ludwig Erhard bis Gerhard Schröder – ein amtierender Kanzler immer aus Verdruss abgewählt, nicht aber ein neuer aus Begeisterung gewählt worden.