Schröder als Mutmacher: „Venceremos!“
Martin Schulz schwört SPD-Parteitag auf den Sieg bei der Bundestagswahl ein
DORTMUND - Von einer „Achterbahn der Gefühle“spricht am Sonntag Manuela Schwesig, die den SPDParteitag in Dortmund eröffnet. Nicht die noch amtierende, gerade abgewählte SPD-NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, sondern die strahlende, designierte neue Ministerpräsidentin aus MecklenburgVorpommern, Manuela Schwesig, begrüßt in der Westfalenhalle Delegierte und Gäste.
Es ist schwierig für die SPD: Am Dienstag wird hier, in NordrheinWestfalen, der Christdemokrat Armin Laschet zum Ministerpräsidenten gewählt. Da braucht es sehr viel Selbstvertrauen und Kampfgeist, um die Delegierten noch auf den Sieg auf Bundesebene einzuschwören.
Altkanzler Gerhard Schröder hat beides, und er steigt auf Wunsch von Martin Schulz als erster in die „Bütt“, wie man in Dortmund sagt. Er erinnert seine Genossen an das Jahr 2005, als er die SPD von 26 Prozent in den Umfragen wieder auf 34,2 bei der Wahl brachte. Das habe zwar am Ende nicht gereicht, aber gezeigt, dass nicht Umfragen, nicht Journalisten die Wahl entscheiden, sondern dass man mit Kampf das Ziel erreichen kann. „Man muss es unbedingt wollen“, so Schröder.
Versöhnung mit dem Altkanzler
Es ist ein Stück Versöhnung mit dem Altkanzler, der sein Nein zum Irakkrieg in Erinnerung ruft, aber auch feststellt, dass die Partei und er es sich gegenseitig nicht immer leicht gemacht haben. „Venceremos!“(„Wir werden siegen!“) mit dem Schlachtruf der Kuba-Revolution hört Schröder auf.
Kanzlerkandidat Martin Schulz tritt dagegen zurückhaltender auf, er wirkt fast ein bisschen verunsichert. Am Abend zuvor, auf der Kampfbahn Rote Erde neben der Westfalenhalle, da hat er auf einem Empfang seine Partei eingestimmt auf den Kurs des Wahlkampfs. Die SPD arbeite, habe Programme, sagte er da, doch von der Union komme nichts. „Ich sage Ihnen voraus, die größte Gefahr ist die Arroganz der Macht“, sagte Schulz. „Das spüren Menschen.“
Er buchstabiert in seiner Rede durch, was die SPD will, und vor allem, was sie anders und besser machen will als die CDU. Wenn Merkel keine konkreten Positionen beziehe und dadurch die Menschen einschläfere, sodass manche nicht zur Wahl gehen, so nenne man das in Berliner Kreisen „asymmetrische Demobilisierung“, so Schulz. „Ich nenne es einen Anschlag auf die Demokratie.“
„Die CDU wurstelt sich durch, liebe Genossinnen und Genossen“, sagt er in der Westfalenhalle. Den stärksten Beifall bekommt Schulz immer dann, wenn er nah an die Gefühle, an das Leben der Zuhörer herangeht. Wenn er über die Lebensrisiken Krankheit, Alter und Arbeitslosigkeit und das Thema Gerechtigkeit spricht. Über jene, die auf einen Arzttermin warten müssen, während andere, nur weil sie anders versichert sind, sofort drankommen. An die Ungerechtigkeit, dass Frauen immer noch schlechter bezahlt werden.
Schulz erinnert an die Leute zwischen 30 und 50, die von morgens bis abends arbeiten, für Kinder und Eltern da sind, die immer funktionieren müssen. Diesen Menschen müsse man helfen, auch das sei eine Frage der Gerechtigkeit. Durch Ganztagsbetreuungen im Grundschulalter und ein Steuersystem, das kleine und mittlere Einkommen entlasten soll.
Schulz greift Merkels Nimbus als Außenpolitikerin frontal an, als er daran erinnert, dass sie damals, als Schröder den Irakkrieg ablehnte, an Bush geschrieben hatte, Schröder spreche nicht für alle Deutschen.
Er dekliniert vor den 5000 Gästen und Delegierten das ganze SPD-Programm durch und endet mit seinem Herzensthema Europa, für das er schon immer kämpfte. „Der kommende Bill Gates muss Europäer sein“, fordert Schulz. Er spricht sich für ein Einwanderungsrecht aus, das die Hoffnung auf einen fairen Zugang zu Europa schafft und das Massensterben im Mittelmeer beendet.
Johanna Uekermann, die JusoChefin, die auf dem Parteitag eigentlich den Beschluss zu einer Vermögenssteuer durchsetzen wollte, tritt als Rednerin noch vor Schulz auf. „Meine Generation hat Angela Merkel satt“, sagt sie. Zwei Stunden später, nach der Rede von Schulz sagt Baden-Württembergs SPD-Chefin Leni Breymaier: „Liebe Johanna Uekermann, nicht nur deine, auch meine Generation hat Angela Merkel satt.“Breymaier hält das Schild „Programm statt Raute“in die Höhe.
Wenig Zeit für Diskussion
Doch zur Diskussion bleibt dem Parteitag dann nicht mehr viel Zeit. Die Parteilinke Hilde Mattheis macht noch einmal klar, dass in Deutschland die vermögensbezogenen Steuern am geringsten sind, und dass starke Schultern mehr tragen sollen, auch in der Bürgerversicherung, wo auf alle Einkünfte (und nicht nur Löhne) Beiträge gezahlt werden sollen.
Kuriosum am Rande: Vor der Tür gellen Pfeifkonzerte von Betriebsräten und Angestellten der Barmenia, die nachrechnen, dass eine Bürgerversicherung mit Auflösung der Privatversicherung 75 000 Arbeitsplätze kosten könnte. Genossen für die Privatversicherungen – die SPD hat es nicht leicht.