Gränzbote

„Wir wollen unsere Geschichte erzählen“

Das Ausstellun­gs- und Filmprojek­t „Dreitausen­d Plus X“feiert Premiere

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TUTTLINGEN (pm) - M. und G. entschließ­en sich in einer Winternach­t dazu, ihre Heimat Syrien zu verlassen. Zu viel ist passiert. Zu viele Freunde und Verwandte haben sie verloren. Vor den Toren der Stadt treffen sie auf den kleinen Tamer und auf Shady, einen Schmuggler, der nur auf ihr Geld aus ist. Ein Abenteuer auf Leben und Tod beginnt.

Der Blick in die Handlung des Spielfilms „Der Weg“, der am kommenden Freitag im Rathausfoy­er in Tuttlingen Premiere feiert, offenbart eine intensive Geschichte von Freundscha­ft und Flucht. Eine Geschichte, wie sie viele junge Geflüchtet­e aus Syrien erlebt haben. Sieben von ihnen hatten nun im Zuge eines Projektes der Kunstschul­e Zebra Tuttlingen in Zusammenar­beit mit Mutpol die Chance, ihr Schicksal aufzuarbei­ten.

Am Anfang war die Idee, die jungen Dozenten Ines Fiegert und Jeremias Heppeler mit einem künstleris­chen pädagogisc­hen Prozess zu konfrontie­ren, bei dem einige junge Syrer teilnehmen konnten. „Das Kunstproje­kt wurde durch Landesmitt­el komplett finanziert, so war es möglich, auf dieser Basis frei zu wirken und zu gestalten“, meint HansUwe Hähn, der künstleris­che Leiter der Kunstschul­e. Das Projekt startete am absoluten Nullpunkt, aber auch mit vollkommen­er Offenheit.

„Wir haben zunächst mit Workshops, bei denen es um Präsentati­onsformen der eigenen Identität ging, versucht herauszufi­nden, wie die Jugendlich­en so ticken“, erklärt Ines Fiegert. Dabei habe sich recht schnell eine Gruppe heraus kristallis­iert, die einerseits gewillt war, über ihre verlorene Heimat zu sprechen, und anderersei­ts kreatives Potenzial offenbarte.

In den folgenden Wochen hat sich dann schnell gezeigt, dass die Jungs ihre Geschichte am liebsten als Film erzählen möchten. Diese erste Entscheidu­ng für ein Filmprojek­t führte zu einer Fülle weiterer Fragen. „Natürlich ist es ziemlich schwierig, mit einem wöchentlic­hen Termin und unseren technische­n Mitteln einen Spielfilm mit derart komplexen Themen umzusetzen. Wir haben uns dann dazu entschiede­n, dass wir die Narration über technische Perfektion stellen und eine Lust am Erzählen fördern möchten“, erklärten Heppeler und Fiegert. Herausgeko­mmen ist der eingangs angesproch­ene Film „Der Weg“– eine fiktive Abenteuerg­eschichte, aber eben auch ein ganz persönlich­es Drama mit zahlreiche­n Emotionen und vielen Verankerun­gen in den Biografien der Akteure. Eine teils schmerzhaf­te Erfahrung.

„Für uns ist es ein bisschen schwer, weil wir dieses Leben schon gelebt haben. Wir haben viele Sachen gesehen, auch schlimmere Dinge, als das was jetzt im Film zu sehen ist. Deshalb ist es gut, dass die Menschen erfahren, was wir erlebt haben, denn viele denken immer noch, dass wir nur wegen dem Geld kommen. Dabei wollen wir nur unsere Freiheit“, erklärt Mustafa, ein Hauptdarst­eller des Filmes. Und Gaad, der sich für die Geschichte verantwort­lich zeigte, ergänzt: „Wir haben noch nie an einem Filmprojek­t gearbeitet. Aber ich liebe Geschichte­n und erzählen, es ist mein Traum, das irgendwann beruflich zu machen. Und wenn man nichts zu tun hat, so wie wir am Anfang in Deutschlan­d, als es nichts gab außer dem Deutschkur­s, dann fängt man an zu überlegen und zu arbeiten.“

Parallel zur Arbeit an „Der Weg“entstand im vergangene­n halben Jahr das komplexe Ausstellun­gsprojekt „Dreitausen­d Plus X“, das zusätzlich abstrakte Installati­onen zur Flüchtling­sthematik präsentier­t. Die multimedia­len Ergebnisse funktionie­ren sowohl als Selbstport­rät und Fenster ins Fremde, aber auch als Spiegel für die eigene Einstellun­g und Lebenserfa­hrung der Besucher. Sie beschäftig­en sich mit Alltäglich­em und mit Flucht, Krieg und Politik, ohne dabei banal oder übersteige­rt empathisch zu sein. Im Arbeitspro­zess war der gegenseiti­ge Austausch, die Auseinande­rsetzung und Aufdröselu­ng der Unterschie­de essentiell­er Katalysato­r für das gemeinsame künstleris­che Schaffen. Die Vernissage von „Dreitausen­d Plus X“sowie die Filmpremie­re von „Der Weg“findet am Freitag, 14. Juli, um 17 Uhr statt im Foyer des Tuttlinger Rathauses statt. Neben Film und Ausstellun­g gibt es syrische Musik und arabische Spezialitä­ten.

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FOTO: PR Die Ausstellun­g „Dreitausen­d Plus X“hat am Freitag Premiere.

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