Mach’s wie Heynckes!
Bayerns Bosse erhöhen vor der Asienreise den Druck auf Trainer Carlo Ancelotti
SCHANGHAI (dpa/SID) - Robert Lewandowski schützte seine müden Augen nach über zehnstündigem Flug mit einer dicken Sonnenbrille, als er den ekstatischen chinesischen Fans entgegentrat. Dabei hätte der Stürmerstar bei der Ankunft seines FC Bayern in Schanghai am Montagnachmittag um 15 Uhr Ortszeit eher Ohrenstöpsel gebraucht: Hunderte Anhänger in Rot kreischten nach Leibeskräften und bejubelten ihre „Supel-Bayern“als wären es die Beatles.
„Eine unglaubliche Begeisterung, wow“, schwärmte auch Angriffspartner Thomas Müller. Zwölf Tage touren die Fußballstars aus München durch Asien, und die kniffligste Aufgabe auf dem Fernost-Trip hat der Trainer zu lösen. Carlo Ancelotti muss auf den drei Stationen in den Millionenstädten Schanghai, Shenzen und Singapur den schwierigen Spagat schaffen, trotz der Reisestrapazen, extremer klimatischer Bedingungen und zahlreicher PR-Termine parallel die Saisonvorbereitung voranzutreiben. Die Warnung von Präsident Uli Hoeneß, eine solche Reise sei „ganz klar ein Problem für jeden Trainer“, hilft nicht. Auch weil Hoeneß den Marketingtrip als pure Notwendigkeit begreift. Ab 2018 erhält die DFL von Medienpartner Suning immerhin 250 Millionen Euro für fünf Jahre – rund 2,8 Millionen pro Club und Saison. „Die großen Mannschaften sind alle unterwegs“, sagte Hoeneß, „man kann nicht immer von Internationalisierung sprechen und dann nicht dorthin reisen, wo die Fans sind. Wenn du diese neuen Märkte beackern willst, musst du dahin.“
Vier Spiele in Asien
Und wenn die Bayern weiter so beliebt bleiben wollen, müssen sie Titel gewinnen. Möglichst mehr als in Ancelottis erstem Jahr, als am Ende nur der ehrlichste, aber eben BeinahePflichttitel des Deutschen Meisters stand.
Bayerns Bosse machen Dampf. Sie unterstützen ihren „Carlo“nach wie vor. Aber sie werden auffälliger mit Forderungen, Vorgaben und Verweisen auf erfüllte Wunschtransfers wie James Rodríguez. Zum Auftakt der Asienreise wartete Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge mit einem geschickt gewählten Vergleich auf. „Carlo macht auf mich ein bisschen den Eindruck wie Jupp Heynckes in seinem zweiten Jahr. Jupp war im ersten Jahr dreimal Zweiter, das hat ihn natürlich schon ziemlich gewurmt. Er hat dann Dinge verändert“, sagte Rummenigge auf die Frage nach einem veränderten Ancelotti.
Zur Erinnerung: Heynckes stand 2012 tatsächlich als totaler Verlierer da. Zweiter in der Bundesliga hinter Borussia Dortmund. Ein krachendes 2:5 im DFB-Pokalfinale gegen den BVB. Und als negativer Höhepunkt das nach Elfmeterschießen verlorene „Finale dahoam“in der Champions League gegen den FC Chelsea. Heynckes erhielt damals eine zweite Chance – und nutzte sie: Zum ersten und einzigen Mal in mehr als 100 Jahren gewann der FC Bayern 2013 das historische Triple.
Machs wie Heynckes? „Bei Carlo habe ich auch den Eindruck, dass da ein bisschen die Schrauben angezogen werden, einfach, um jetzt natürlich eine erfolgreiche Saison zu spielen“, sagte Rummenigge. Die Schrauben werden auch beim Chefcoach angezogen, der um ein paar Kilogramm schlanker aus dem Sommerurlaub in Kanada zurückkehrte – und damit fitter und noch motivierter? „Bis jetzt läuft alles nach Plan“, erklärte Ancelotti nach dem Gewinn des Telekom-Cups am Wochenende: „Jetzt haben wir wichtige Spiele in Asien vor uns.“
FC Arsenal, AC Milan, FC Chelsea und Inter Mailand heißen die prominenten Gegner. Positive Ergebnisse sind erwünscht – und in der Saison dann Pflicht. „Wir haben eine gute Mannschaft, das wissen wir. Wir haben einen sehr guten, erfahrenen Trainer mit Carlo. Und ich hoffe, dass wir in diesem Jahr unsere Ziele auch erreichen“, sagte Rummenigge. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hat eine Anfrage des AC Milan für Europameister Renato Sanches (19) bestätigt. Von einer Einigung mit den Mailändern seien die Bayern allerdings noch weit entfernt. „Ich habe den Eindruck, der AC Milan ist nicht bereit, unsere Forderung zu erfüllen. Und solange wird sich da auch nichts tun.“