Der Eiserne
Wäre Otto Schily 20 Jahre jünger, würden wohl Spekulationen über Comebackpläne aufkommen: Kurz vor seinem 85. Geburtstag ist der ehemalige Bundesinnenminister präsent wie lange nicht mehr – und zeigt dabei altbekannte Schärfe. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vergleicht er wegen ihrer Flüchtlingspolitik mit einer Monarchin. Die von ihm in ihren Anfangsjahren mitgeprägten Grünen nennt er „verschwommen, widersprüchlich und fragwürdig“und den G20-Gipfel schon im Vorfeld „ein Schauspiel, was nichts bringt“.
Die Spitzen erinnern an die Hochzeiten des „eisernen Otto“. Schily wurde am 20. Juli 1932 in Bochum geboren. Sein Vater, ein Hüttendirektor, und seine Mutter waren Anhänger der Lehren von Rudolf Steiner. 1941 durchsuchten die Nationalsozialisten deshalb Schilys Elternhaus und beschlagnahmten anthroposophische Literatur – für den jungen Schily eine prägende Erfahrung, die den Widerstandsgeist weckte.
Schily studierte in München, Hamburg und Berlin Jura und Politikwissenschaft. 1963 gründete der Jurist eine Anwaltskanzlei. Seine erste Frau brachte ihn mit dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund in Kontakt, Schily schloss Freundschaft mit Rudi Dutschke und Horst Mahler, zweien der bekanntesten Köpfe der 68er. Ab 1971 verteidigte er den später zum Neonazi gewandelten RAFTerroristen Mahler, ab 1975 im Stammheimer Prozess die RAFTerroristin Gudrun Ensslin. Schily musste sich später immer wieder gegen den Eindruck wehren, sich mit den Zielen der RAF identifiziert zu haben.
1983 schaffte er es für die Grünen in den Bundestag. Nach langen Querelen wechselte er Anfang November 1989 zur SPD. 1994 wurde er stellvertretender Fraktionschef, der damalige Kanzler Gerhard Schröder (SPD) machte ihn zum Innenminister. Schily, der in zweiter Ehe verheiratet ist und zwei erwachsene Töchter hat, schied 2005 als Minister und 2009 als Bundestagsabgeordneter aus. (AFP)