Pfullendorfer Soldaten zu Recht entlassen
Verwaltungsgericht Sigmaringen weist Klage ab – Verteidiger behält sich Berufung vor
SIGMARINGEN - Die Entlassung von vier Soldaten aus der Staufer-Kaserne in Pfullendorf wegen ihrer Teilnahme an fragwürdigen Aufnahmeritualen war rechtens. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen wies am Mittwoch die Klage der Soldaten gegen ihre Entlassung ab. „Ihr Verbleib im Dienst würde zu einer Gefährdung der militärischen Ordnung führen“, sagte der Vorsitzende Richter Jörg Müller in der Begründung am späten Nachmittag. Durch Aufnahmerituale könnten eingeschworene Zirkel in der Truppe entstehen, die die Einsatzbereitschaft schwächten. Auch könne es Nachahmer geben. „Es muss dem Dienstherrn freistehen, einer solchen Disziplinlosigkeit entgegenzuwirken“, so Müller. Die Bundeswehr müsse durch die Entlassungen Zeichen setzen dürfen. Damit wurde auch die zuletzt stark in die Kritik geratene Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gestärkt.
Die Männer, drei 19-Jährige und ein 21-Jähriger, waren im Februar aus der Truppe ausgeschlossen worden. Einen Einblick in das ihnen vorgeworfene Fehlverhalten gaben Videos, die in der Verhandlung am Mittwoch vorgespielt wurden. Der Argumentation der Verteidigung, dass die Soldaten hierbei das Verhalten im Fall ihrer eigenen Gefangennahme geübt hätten, wollte sich Richter Müller nicht anschließen. Er erklärte, er fühle sich eher ans Abu Ghreib erinnert. In dem Gefängnis im Irak waren Gefangene von USSoldaten gefoltert worden.
„Das Urteil entspricht unserer Rechtsansicht“, sagte der Vertreter des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr. Einer der Vertreter der Soldaten, der Ulmer Anwalt Thomas Maurer, hielt indes daran fest, dass die Entlassung ein zu hartes Mittel war. Er behält sich vor, in Berufung zu gehen. Anwalt Maurer äußerte nach dem Urteil die Meinung, die Mannschaftssoldaten seien rausgeschmissen worden, weil man in Pfullendorf „Aktion gebraucht“habe. Kurz zuvor hatte es Berichte über sadistische Sex-Praktiken in Pfullendorf gegeben, die sich nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft jedoch nicht bestätigen ließen.
SIGMARINGEN - Die Entlassung von vier Bundeswehrsoldaten des Standortes Pfullendorf wegen verbotener und entwürdigender Aufnahmerituale hat rechtlichen Bestand: Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat am Mittwoch die Klagen ehemaliger Mannschaftssoldaten abgewiesen, die im Februar fristlos entlassen worden waren. Durch ihr Verhalten sah die Bundeswehr unter anderem das Ansehen der Truppe und die militärische Ordnung gefährdet. Drei weitere, ebenso entlassene Soldaten hatten ihren Rauswurf nicht angefochten.
Die Staufer-Kaserne in Pfullendorf war Anfang des Jahres wegen des Bekanntwerdens der schockierenden Aufnahme-Praktiken in Kritik geraten. Weiter hatte es in einer Ausbildungseinheit sexuelle Übergriffe gegeben.
Die Stimmung im Gerichtssaal des Verwaltungsgerichts kippt, als der Vorsitzende Richter Jörg Müller ein kurzes Video vorführen lässt. Während der Bundeswehr-internen Ermittlungen war das von einem der Kläger aufgenommene Video beschlagnahmt worden. Jetzt dient es der Beweisführung. Soldaten in Uniform sind zu sehen, die einen ihrer Kameraden an einen Stuhl gefesselt und ihm einen Sack über den Kopf gestülpt haben. Sie spritzen ihn nass. Und die Soldaten rufen „Allahu akbar“(Gott ist groß): den Kampfruf der islamistischen Terroristen.
Drei- oder viermal wird das kurze Video wiederholt. Ist die Verhandlung bisher eher träge verlaufen, so ist jetzt den Richtern der 5. Kammer anzumerken: Sie wollen innerhalb der Bundeswehr einfach keine Soldaten dulden, die „Allahu akbar“schreien. Nicht zum Spaß, nicht unter Alkohol, nicht bei privaten Übungen nach Dienstschluss. Gar nicht.
Dass die vier Kläger, zwei Zeitsoldaten und zwei freiwillig Wehrdienstleistende, die seit Januar 2016 beim Bund waren, die Übungen und auch die Aufnahmerituale für junge Kameraden initiiert hatten, ist zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens strittig. In diesen Fällen ermittelt die Staatsanwaltschaft Hechingen.
Neben der „Gefangennahme“war noch die „Entführung“beliebt. Manchmal musste sich auch einer der „Neuen“auf den Boden legen, anschließend warfen die „Alten“eine Matratze über ihn, um dann über Mann und Matratze zu laufen. Den Soldaten wird ferner die Teilnahme an Aufnahmeritualen vorgeworfen, wobei die „Opfer“zugestimmt haben sollen. Das spiele aber keine Rolle, sagt der Richter. Vielmehr gehe es darum, ob es sich um Fehlverhalten nach dem Soldatengesetz handle. Eine Verletzung der Menschenwürde etwa stelle eine „schuldhafte Dienstpflichtverletzung“dar, die zu Recht zur Entlassung geführt habe.
Nach Einschätzung erfahrener Beobachter ist die Position von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) durch das Sigmaringer Urteil, gegen das keine Revision zugelassen wurde, gestärkt worden. Von der Leyen hatte seit Bekanntwerden des Skandals hartes Durchgreifen gegen entwürdigende Rituale gefordert.