Qual der Wahl?
Von jedem Laternenmasten schauen sie herab, freundlich lächelnd oder seriös dreinblickend, in jedem Fall großformatig: Die Kandidatinnen und Kandidaten für die Wahl zum Bundestag, die immer näher rückt.
Wen wählen? Die Frage treibt uns um: Lieber eine Frau oder einen Mann? Lieber einen mit Erfahrung, oder jemanden mit frischen Ideen? Schwarz? Rot? Grün? Blau?….. Man hat die Qual der Wahl.
Ja, es macht Mühe, Wahlprogramme zu lesen und rauszukriegen, wer für welche Politik steht. In vielen Bereichen ist die Sachlage kompliziert und die Lösungsansätze der Parteien differenziert.
Eines aber steht für mich fest: Die Kandidatinnen und Kandidaten haben unser Interesse verdient. Viele von ihnen scheuen weder Zeit noch Mühe unzählige Wahlveranstaltungen zu absolvieren und stellen sich in vielfältiger Weise den Fragen der Wähler. Ich habe große Achtung vor ihrem Engagement ganz gleich welcher Couleur sie sind und darum ist diese Wahl auch keine Qual, sondern eine großartige Möglichkeit Demokratie zu leben und die politische Richtung mitzubestimmen. Dass manche von der Politik enttäuscht sind und gewissermaßen aus Protest nicht zum Wählen gehen wollen, halte ich für eine bequeme Flucht aus der Verantwortung. Natürlich ist es einfacher, Sprüche zu klopfen, als sich in die oft mühseligen und schwierigen Auseinandersetzungen um die Zukunft zu begeben und natürlich läuft man in einer Demokratie auch Gefahr, bei Abstimmungen zu unterliegen oder Wahlen zu verlieren.
Als das Volk Israel unbedingt einen König wählen wollte, wurde das vom Propheten Samuel sehr kritisch gesehen (1. Sam. 8). Auch Jesus wurde nicht gewählt, zu seinen Jüngern sagte er: „Nicht ihr habt mich erwählt, vielmehr ich euch“(Joh. 15,16).
Hat es die Kirche also nicht so mit dem Wählen und der Demokratie?
Ich glaube Samuel wollte deutlich machen: Keiner soll absolute Macht und unbedingten Gehorsam beanspruchen dürfen, das ist Gott vorbehalten und Jesus wollte klarstellen: Bei all unserem Wählen und bei allen unseren Entscheidungen sollen wir wissen, dass Gott sich für uns entschieden hat und uns (er-)wählte. Dieses Vertrauen: Gott ist an unserer Seite, er schuf diese Welt und setzte uns Menschen hinein, um sie zu gestalten und zu bewahren, er begleitet uns in unserem Tun und Lassen könnte uns den Rücken frei machen, uns selber mit Gelassenheit und Geduld zu engagieren, „um der Stadt Bestes“(Jer. 29,7) zu suchen. Pfarrer Matthias Kohler, Auferstehungskirche Tuttlingen