Asteroid schrammt an der Erde vorbei
Asteroid wird die Erde heute verfehlen – Wissenschaftler arbeiten an Frühwarnsystemen für gefährlichere Fälle
DARMSTADT (dpa) - Gefährlich ist der Asteroid nicht, der heute an der Erde vorbeirauschen soll. Experten der europäischen Raumfahrtbehörde Esa und ihre Nasa-Kollegen wollen die Gelegenheit allerdings nutzen, um für den Fall einer ernsten Bedrohung unseres Planeten zu üben. Der Asteroid soll gegen 7.40 Uhr mitteleuropäischer Zeit zwischen Erde und Mond hindurchfliegen. Den Durchmesser des Himmelskörpers schätzen die Weltraumforscher auf 15 bis 30 Meter.
DARMSTADT (dpa) - Er ist so groß wie ein Haus und wird die Erde heute nur knapp verfehlen – wobei knapp immerhin rund 43 500 Kilometer bedeutet. Würde der Asteroid 2012 TC4 die Erde treffen, hätte das beträchtliche Folgen – so wie 2013 rund um die russische Millionenstadt Tscheljabinsk. Weil der nächste Einschlag nur eine Frage der Zeit ist, wollen Forscher aus dem Vorbeiflug von 2012 TC4 wichtige Erkenntnisse für die Zukunft ziehen.
Der Asteroid biete „eine exzellente Gelegenheit, die internationalen Fähigkeiten zur Erkennung und Verfolgung erdnaher Objekte zu testen und unsere Fähigkeiten zu überprüfen, wie wir gemeinsam auf eine reale Bedrohung reagieren können“, schreibt die Europäische Raumfahrtagentur Esa.
Rüdiger Jehn leitet die Abteilung beim Europäischen Raumflugkontrollzentrum Esoc in Darmstadt, das sich mit der Erforschung „Erdnaher Objekte“(englische Abkürzung: NEOs) befasst. „Ein Fall wie in Tscheljabinsk kommt alle 40 bis 50 Jahre vor“, sagt er. Ein Ereignis wie vor 108 Jahren, als ein 40 Meter großer Brocken aus dem All in Sibirien rund 2000 Quadratkilometer Wald vernichtete, gebe es nur alle 300 Jahre. Den Weltraumforschern zufolge gilt: Je größer der Asteroid, desto kleiner die Wahrscheinlichkeit.
Nähert sich ein großer und potenziell gefährlicher Himmelskörper der Erde, hat man nach Einschätzung von Experten mit den aktuellen Kontrollmöglichkeiten in der Regel mehrere Jahre bis Jahrzehnte Vorlaufzeit, um Schutzmaßnahmen zu treffen. „Die naheliegende Option wäre ein kinetischer Impakt“, sagt Jehn. Das heißt, dass man den Asteroiden mit einem anderen Objekt kollidieren lässt, um ihn von seiner Bahn abzulenken. Er selbst verfolgt als Forschungsansatz einen sogenannten Gravity Tractor, wobei ein Raumschiff neben dem Asteroiden herfliegt und ihn über die gegenseitig ausgeübte Anziehungskraft von seinem Kurs abbringt. „Im Notfall wäre auch ein nuklearer Einschlag denkbar. Aber das müssen wir wohl den Amerikanern überlassen. In Europa gibt es keine Bereitschaft, das zu testen.“Aber auch von kleineren Asteroiden droht Gefahr, wie in Tscheljabinsk zu sehen war. Dort gab es rund 1500 Verletzte und Tausende beschädigte Gebäude. Jehn strebt ein Frühwarnsystem an, mit dem man die jeweils gefährdeten Menschen etwa eine Woche vorher warnen kann.
Der frühere Apollo-Astronaut Rusty Schweickart verweist darauf, dass es nicht nur um Frühwarnsysteme sowie Abwehr- und Evakuierungstechniken gehe, sondern auch um die politische Vorbereitung. „Im Fall der Fälle muss klar sein, wer was entscheidet, wer welche Raketen startet, wer welche Beträge von seinen Steuerzahlern bezahlen lässt. Das ist eine planetare Entscheidung“, betont der 81-Jährige.
Filme sind sogar hilfreich
Im Moment sind die Budgets eher bescheiden. Bei der Esa stehen laut Jehn in den kommenden vier Jahren 26 Millionen Euro für die Asteroidenentdeckung und -abwehr zur Verfügung. Die Programme bei den Vereinten Nationen liefen „momentan auf Sparflamme“. Allerdings erwartet Jehn, dass sich das im Falle einer konkreten Bedrohung ändert: „Wenn so ein Teil 20 Jahre vorher entdeckt würde, würde sicher plötzlich genügend Geld zur Verfügung stehen.“
Filmen über Asteroiden-Bedrohungen wie „Armageddon“oder „Deep Impact“kann Jehn sogar etwas Positives abgewinnen – auch wenn sie meist völlig übertrieben seien. „Die Filme wecken das Bewusstsein und haben uns bei der Finanzierung unheimlich geholfen. Nach solchen Filmen ist jedes Mal unser Budget hochgesetzt worden. Da sind wir jedes Mal dankbar, wenn so ein Film gedreht wird.“