Ermittler dürfen Smartphones hacken
Landtag hat neues Polizeigesetz verabschiedet – Experte lobt letzte Änderungen
STUTTGART - Eine Woche später als geplant hat der Landtag am Mittwoch ein neues Polizeigesetz beschlossen. CDU und SPD stimmten geschlossen zu, ebenso wie die Mehrheit der Grünen. Dort enthielten sich zwei Abgeordnete, die AfD stimmte bei einigen Enthaltungen zu, die FDP dagegen. Damit erhalten die Sicherheitsbehörden weitreichende neue Möglichkeiten, um Terror und schwere Verbrechen zu verhindern. Das Gesetz gilt bereits jetzt als eines der wichtigsten der laufenden Wahlperiode.
Künftig können Ermittler Telefonate abhören sowie SMS lesen – und zwar schon, wenn ein erster Verdacht besteht, dass jemand einen Terroranschlag oder ein schweres Verbrechen plant. Bisher ist das erst erlaubt, wenn ein Staatsanwalt nach einem konkreten Verdacht ermittelt.
Außerdem können die Behörden nun bei der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (QuellenTKÜ) heimlich Software auf Handys oder Tablets schleusen. Diese soll verschlüsselte Kommunikation mitlesen – also zum Beispiel WhatsApp-Nachrichten. Verboten bleibt es auf Wunsch der Grünen, dass solche Trojaner den Speicher von Geräten durchsuchen. Experten zweifeln aber, ob sich diese Funktionen voneinander trennen lassen. Eine entsprechende Software soll erst entwickelt werden.
Ende eines zähen Ringens
Sondereinsatzkommandos der Polizei dürfen bald Handgranaten einsetzen – aber nicht, wenn Unbeteiligte dadurch gefährdet werden. In Mannheim testet das Land eine intelligente Videoüberwachung. Sie schlägt Alarm, wenn etwa Gepäckstücke unbeaufsichtigt sind. Verdächtige, die eine Terrorattacke planen könnten, dürfen mit einer Fußfessel überwacht werden.
Mit dem Beschluss endete ein zähes Ringen. Zum einen hatten die Regierungspartner Grüne und CDU bis zum Schluss den Entwurf intensiv und länger als geplant beraten. Auch deshalb war die Abstimmung eine Woche verschoben worden. SPD und FDP hatten ihrerseits signalisiert, zustimmen zu können, aber als Bedingung Änderungen gefordert.
Im Kern der Debatte stand zum Schluss vor allem die Frage, ob das Gesetz den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts standhalten würde. In einer öffentlichen Anhörung hatten der Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink und der Jurist Nikolaos Gazeas daran erhebliche Zweifel geäußert. „Ein besonders unerfreulicher Punkt im ursprünglichen Gesetzesentwurf war aus meiner Sicht, dass unter dem Deckmantel der Terrorismus-Bekämpfung auch umfassende Überwachungsmaßnahmen zur Verhinderung kleinerer Straftaten und allgemeiner Gefahren eingeführt werden sollten“, sagte der von den Grünen als Experte benannte Jurist der „Schwäbischen Zeitung“.
Der Grund: Im Gesetz waren die Straftaten, bei denen die QuellenTKÜ erlaubt wurde, nicht genau genug eingegrenzt. Die Juristen hatten moniert, damit können schon die Planung einer Ohrfeige Grund genug sein, die Überwachung anzuordnen. Diese sei jedoch ein massiver Eingriff in die Grundrechte und daher nur verfassungskonform, wenn es um die Abwehr von Terrorattacken oder Schwerstkriminalität gehe.
Grüne und CDU einigten sich schließlich, hier nachzubessern. Die Polizei hat außerdem nun auch bei Gefahr im Verzug nur drei Tage Zeit, um sich die Überwachung nachträglich von einem Richter genehmigen zu lassen. Wer überwacht wird, muss jetzt in der Regel danach darüber informiert werden. „Die Änderungen sind ein großer Schritt in Richtung eines bestimmteren und damit verfassungskonformeren Gesetzes, als es im ursprünglichen Entwurf der Fall war“, so das Fazit des Juristen Gazeas.