Der Meister der Selbstinszenierung
Ai Weiweis Dokumentation „Human Flow“hinterlässt einen fahlen Beigeschmack
Mit zahlreichen aufsehenerregenden Aktionen hat Ai Weiwei bereits auf die Schicksale von Flüchtlingen aufmerksam gemacht. So stellte der chinesische Künstler – sehr umstritten – das Foto eines toten syrischen Jungen an einem griechischen Strand nach. Nun hat er seinen ersten Film über die weltweiten Flüchtlingsbewegungen gedreht, die Dokumentation „Human Flow“. Diese liefert zwar eindrucksvolle Bilder, bleibt aber sehr an der Oberfläche.
Die Krisen der vielen Heimatlosen und Entwurzelten sind derzeit das beherrschende Thema in Ais Leben, wurde doch auch er in China verfolgt und lebt seit 2015 fern seiner Heimat in Berlin.
Seinen Film will Ai nicht auf die Geschichte eines Flüchtlings oder auf einen Krisenherd fokussieren. Stattdessen versucht der 60-Jährige, die Katastrophe in ihrem globalen Ausmaß zu erfassen. Er zeigt, wie Flüchtlinge aus Nordafrika auf dem Mittelmeer gerettet werden und zitternd unter goldfarbenen Wärmedecken hocken. Wie Menschen in einem Zeltlager in der Türkei für Essen anstehen, andere verzweifelt an der geschlossenen griechisch-mazedonischen Grenze auf eine Weiterreise hoffen.
Es ist ein Mammutprojekt, für das Ai sein Team in mehr als 20 Länder schickte. Nach Griechenland und in den Gazastreifen, nach Kenia, Serbien, Mexiko und Indonesien, nach Berlin und Calais. Besonders eindrucksvoll sind dabei die Aufnahmen aus der Luft, wenn Drohnenkameras die enormen Dimensionen einfangen: Wie riesig so ein Zeltlager irgendwo in der staubigen Wüste ist, wie viele Menschen zu Fuß durch Osteuropa laufen oder wie ein einzelnes Schlauchboot wie eine Nussschale auf dem riesigen Mittelmeer hin und her schwankt.
Es sind diese fast abstrakt und poetisch anmutenden Bilder, die am prägnantesten nachwirken. Ansonsten aber enttäuscht „Human Flow“. Denn die Dokumentation bleibt seltsam an der Oberfläche. Der Film springt zwischen den Orten hin und her, und der Erkenntnisgewinn bleibt gering. Nur in wenigen Momenten erfährt man Konkretes über individuelle Flüchtlingsschicksale. Es entsteht zwar ein Mosaik der vielen Schicksale und Krisen, doch irgendwann rauschen die Zahlen, Schauplätze und Krisen an einem vorbei.
Hinzu kommt, wie Ai sich selbst inszeniert und filmen lässt. Mal hilft er einem Flüchtling vom Boot, mal läuft er durch eines der vielen desolaten Lager, mal lässt er sich die Haare abschneiden. Doch diese Szenen lenken nicht nur vom eigentlichen Thema des Films ab, sie stören vielmehr. So bleibt bei „Human Flow“ein fahler Beigeschmack und das Gefühl, dass der Film der Problematik nicht gerecht wird. (dpa) Human Flow. Regie: Ai Weiwei. Deutschland 2017. 140 Minuten. FSK ab 6.