SPD-Linke weiter gegen Große Koalition
Ulmer Abgeordnete Mattheis für Minderheitsregierung – CSU gegen Familiennachzug
BERLIN (sal/AFP) - Kurz vor dem SPD-Parteitag in Berlin wächst der Widerstand gegen eine Neuauflage der Großen Koalition. Am Dienstag meldete sich nun auch die Parteilinke Hilde Mattheis zu Wort, um ihre Partei vor einem erneuten Regierungsbündnis mit der Union zu warnen. „Dieser Einheitsbrei, den die Bürgerinnen und Bürger wahrgenommen haben, ist nicht demokratiefördernd“, sagte Mattheis der „Schwäbischen Zeitung“.
„Große Koalitionen müssen eine Ausnahme bleiben, sie bringen die Demokratie und Gesellschaft nicht weiter. Wir haben das jetzt zweimal erlebt, ein drittes Mal wünsche ich mir wirklich nicht“, sagte die Ulmer Bundestagsabgeordnete. Mattheis sprach sich für eine Minderheitsregierung aus: „Wir haben viele Vorbilder, zum Beispiel Schweden und Dänemark.“Ähnlich hatte sich zuvor der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert geäußert. Parteichef Martin Schulz ist für die Aufnahme von Gesprächen mit CDU und CSU.
Inhaltlich schwierig könnte es bei den möglichen Sondierungsgesprächen durch die SPD-Forderung nach Wiedereinführung des ausgesetzten Familiennachzugs für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus werden. CSU-Chef Horst Seehofer sagte der „Bild“-Zeitung, er könne sich eine entsprechende Vereinbarung mit den Sozialdemokraten „nicht vorstellen“.
BERLIN - Was früher eine Selbstverständlichkeit war, wird plötzlich zu einer besonderen Nachricht: Angela Merkel kommt am Freitag in der nächsten Woche zum CSU-Parteitag nach Nürnberg. Die Kanzlerin hat die Einladung von Horst Seehofer angenommen und wird dort eine Rede halten. Die Schwesterparteien üben den Schulterschluss.
Im vergangenen Jahr fehlte Merkel wegen des heftigen Streits über Flüchtlingspolitik und Obergrenze. Unvergessen, wie sie 2015 nach ihrem Auftritt auf dem CSU-Parteitag in München minutenlang von Seehofer wegen des Konflikts über den Kurs in der Flüchtlingspolitik vorgeführt worden war. Eine Szene, die die tiefe Spaltung der Unionsparteien zeigte und die Merkel dem CSUChef bis heute nicht verziehen habe, heißt es. Dem Affront folgte ein langer quälender Streit, der das Verhältnis bis heute belastet.
Drei gegen Merkel
Jetzt das Zeichen für die endgültige Versöhnung in Nürnberg – die Kanzlerin in der Höhle der Löwen. Nachdem der Machtkampf der CSU-Spitze fürs Erste geklärt zu sein scheint, hat es Merkel künftig mit einer Doppelspitze zu tun. Neben Parteichef Horst Seehofer wird bei den möglichen Gesprächen über die Regierungsbildung mit der SPD auch der designierte bayerische Ministerpräsident Markus Söder mit am Verhandlungstisch Platz nehmen. Für die Kanzlerin könnte dies neue Probleme bedeuten, sollte Bayerns Noch-Finanzminister versuchen, sich mit Blick auf den Landtagswahlkampf 2018 besonders zu profilieren. Während der gescheiterten JamaikaSondierungen mit FDP und Grünen war besonders CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt mit Querschüssen und einer harten Haltung gegenüber den Grünen aufgefallen. Seehofer, Söder und Dobrindt – drei gegen Merkel, für die CDUChefin wird es noch schwieriger.
Vor den Gesprächen mit der SPD über eine Regierungsbildung machte am Dienstag bereits CSU-Chef Seehofer deutlich, dass er nicht daran denke, sich stärker zurückzuhalten und das Feld seinem Rivalen Söder zu überlassen. Die Pläne der SPD zum Familiennachzug lehnt er ab. Er könne sich kein Ende der Aussetzung des Familiennachzuges für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus vorstellen, machte Seehofer deutlich. „Das wäre wieder eine so massive Zuwanderung, dass die Integrationsfähigkeit Deutschlands total überfordert wäre“, warnte er. Die SPD beharrt dagegen darauf, den Familiennachzug zu ermöglichen.
Die Christsozialen und ihr Hoffnungsträger Söder können im Wahljahr 2018 kein Interesse an weiteren Auseinandersetzungen und einer erneuten Hängepartie bei der Regierungsbildung haben. Kommt es zur Neuauflage der Großen Koalition, könnte Seehofer an den Kabinettstisch in Berlin wechseln, dort als Arbeitsund Sozialminister, als Innenoder Gesundheitsminister dafür sorgen, dass die CSU-Handschrift in der Regierung sichtbar wird.