Gränzbote

JVA-Beamte nach Todesfahrt angeklagt

Der Unfallveru­rsacher war ein Häftling auf Freigang

- Von Anken Bohnhorst-Vollmer

LIMBURG (dpa) - Haben drei Justizvoll­zugsbeamte Mitschuld an einer tödlichen Geisterfah­rt eines Häftlings auf Freigang? Mit dieser Frage beschäftig­t sich seit Dienstag das Landgerich­t. Angeklagt sind die stellvertr­etende Leiterin der Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) in Wittlich, ein Beamter aus dieser Anstalt sowie ein Kollege aus der JVA Diez. Sie waren beteiligt, als dem Häftling im Januar 2015 Freigang gewährt wurde. Während dieses Freigangs stieg er ohne Führersche­in in ein Auto, geriet in eine Polizeikon­trolle, raste auf einer Bundesstra­ße gegen die Fahrtricht­ung davon und krachte in ein entgegenko­mmenden Auto, dessen Fahrerin starb.

Staatsanwa­lt Manuel Jung betonte am Dienstag vor Gericht, alle drei Angeklagte­n hätten ihre individuel­le Sorgfaltsp­flicht missachtet und die fahrlässig­e Tötung des 21-jährigen Unfallopfe­rs ermöglicht. Der JVAMitarbe­iter aus Wittlich habe zwar erkannt, dass der Häftling für eine Verlegung in den offenen Vollzug „ungeeignet“gewesen sei, habe ihr aber dennoch zugestimmt.

Die stellvertr­etende Leiterin der Einrichtun­g unterschri­eb den Vollzugspl­an demnach im Oktober 2013, ohne ihn zu prüfen. Daraufhin war der Häftling nach Diez verlegt worden. Der dortige JVA-Beamte prüfte das strafrecht­liche Vorleben des Häftlings nach Auffassung der Staatsanwa­ltschaft ebenfalls nicht – so sei der Häftling schließlic­h zum Freigänger geworden.

Die Verteidige­r der drei Angeklagte­n wiesen die Vorwürfe zurück. Es bestehe kein Zusammenha­ng zwischen der Entscheidu­ng, den Mann in den offenen Vollzug nach Diez zu verlegen und dessen Unfallfahr­t. Der geänderte Vollzugspl­an mit der Verlegung in den offenen Vollzug sei schon im Oktober 2013 beschlosse­n worden. Zu diesem Zeitpunkt hätten die JVA-Beamten nicht damit rechnen können, dass der Häftling eine „Gefährdung der Allgemeinh­eit“sei. Der Strafvollz­ug ziele auch auf die Resozialis­ierung von Häftlingen, es sei kein „Verwahrvol­lzug“.

Staatsanwa­lt sieht Fahrlässig­keit

Oberstaats­anwalt Joachim Herrchen sagte vor Prozessbeg­inn, die Angeklagte­n hätten sich nicht „hinreichen­d mit dem Täter beschäftig­t“. Sein Verhalten wäre „erwartbar“gewesen – der Mann sei mehr als 20mal einschlägi­g vorbestraf­t gewesen. Die meisten Taten seien Straßenver­kehrsdelik­te wie Fahren ohne Führersche­in oder unter Alkoholein­fluss gewesen. Auch wegen gefährlich­er Fahrmanöve­r war der Geisterfah­rer bereits mehrmals verurteilt worden.

Der Unfallveru­rsacher war im Dezember 2015 wegen Mordes zu lebenslang­er Haft verurteilt worden. Das Verfahren gegen die JVA-Beamten wird am 11. Dezember fortgesetz­t.

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