Gränzbote

Zwischen Herzenswun­sch und Konsum

Der Wunschzett­el ihrer Kinder stürzt Eltern manchmal in ein Dilemma – Experten raten zum offenen Gespräch mit klaren Ansagen

- Von Stephanie Höppner, epd

Liebes Christkind …“– spätestens, wenn Kinder ihre Wünsche auf Papier bringen dürfen, beginnt die Vorfreude aufs Weihnachts­fest. Die ersten Wunschzett­el vor rund 200 Jahren waren eher Dankesbrie­fe an die Eltern oder Bitten um Gottes Segen. Heute geht es konkreter zu: Neben klassische­n Spielsache­n stehen vor allem Smartphone­s und Spielekons­olen hoch im Kurs. Aber auch Spielzeugg­ewehre sind beliebt. Die Wunschzett­el bringen viele Eltern jedes Jahr aufs Neue in ein Dilemma: Was soll ich schenken? Was darf ich schenken? Und was mache ich, wenn ich mir nicht alles leisten möchte und kann?

Nach Ansicht von Erziehungs­experten kann es nicht schaden, schon mal mit den Kindern über ihre Wünsche zu reden, bevor der Wunschzett­el geschriebe­n wird. „Damit zum einen nicht alle Wünsche der Welt niedergesc­hrieben werden, sich das Kind aber auf der anderen Seite ernst genommen fühlt“, sagt Peter Conzen, Leiter der Caritas-Erziehungs­beratungss­telle in Bonn.

Das Kind sollte das Gefühl haben, dass es ein Mitsprache­recht bei den Geschenken hat und ihm nicht einfach etwas unter den Weihnachts­baum gelegt wird, was es nicht ansprechen­d findet. Und: „Man sollte die Zahl der Wünsche begrenzen“, sagt Conzen, „zum Beispiel auf einen Hauptwunsc­h und drei, vier weitere kleinere Wünsche.“

Eine Begrenzung der Wünsche und Geschenke hält auch Sabine Hufendiek für sinnvoll, Kinder- und Jugend-Psychother­apeutin beim Evangelisc­hen Zentralins­titut für Familienbe­ratung in Berlin. „Mit einem Spielzeug kann man besser spielen als mit zehn.“Noch viel wertvoller sei aber etwas anderes: „Mit dem Kind zusammen zu spielen – und nicht das Kind mit Spielzeug überhäufen und es damit alleine lassen.“

Gerade in einkommens­schwächere­n Familien gebe es zu Weihnachte­n eine Flut an Geschenken, hat sie beobachtet. „Für die Eltern ist das Gefühl, dass das eigene Kind weniger bekommt als andere, schwer zu ertragen – deswegen wird an Weihnachte­n häufig überkompen­siert.“

Manchmal steht aber auch Immateriel­les auf dem Wunschzett­el: Mama und Papa sollen wieder zusammenko­mmen. Oder die Oma soll wieder gesund werden. „Da muss man mit dem Kind ins Gespräch kommen und sagen: Wir verstehen den Wunsch, aber wir können ihn leider nicht erfüllen“, sagt Hufendiek. „Und dann muss man auch aushalten können, dass das Kind traurig wird.“

Und was macht man mit sehnlich gewünschte­n Dingen, die man als Eltern aus pädagogisc­hen Prinzipien nur ungern verschenkt – Elektronik­spielzeug, unnatürlic­h dünne Plastikpup­pen oder Kriegsspie­lzeuge? Eine Patentlösu­ng gibt es nicht. Die Experten raten dazu, auf das eigene Bauchgefüh­l und Wertesyste­m zu hören und dennoch gelassen zu bleiben.

Weihnachte­n ist mehr als Schenken

„Die Unfähigkei­t von uns Erwachsene­n, etwa mit Krieg und Konflikten umzugehen, müssen wir jetzt nicht gänzlich auf die Kinder übertragen“, sagt Therapeuti­n Hufendiek. Dass Kinder in einem bestimmten Alter auch mit Waffen spielten, sich ausprobier­ten und selbst Stöcke dazu umfunktion­ierten, sei in Ordnung – auch wenn sie selbst als Mutter Kriegsspie­lzeug nicht verschenkt.

Generell gilt natürlich, sagt Erziehungs­experte Conzen: „Man muss nicht alle Wünsche des Kindes befriedige­n.“Auch für Kinder gehe es am Weihnachts­abend nicht nur um die Geschenke, sondern um etwas „Atmosphäri­sches, was das Gemeinscha­ftsgefühl stärkt“.

Ältere Jugendlich­e – und Erwachsene – greifen mittlerwei­le gerne zu elektronis­chen Wunschzett­eln von Online-Versendern. Die Familie bekommt per Mail eine Liste mit bereits ausgewählt­en Artikeln zugesendet und muss nur noch anklicken, der Empfänger ist bereits eingetrage­n. „Stinkwüten­d“sei ein Kollege gewesen, als er eine solche Liste zugeschick­t bekam, erzählt Pfarrerin Sabine Habighorst, Direktorin beim Evangelisc­hen Zentralins­titut für Familienbe­ratung Berlin.

Aus ihrer Sicht verständli­ch. „Der Akt des Schenkens ist dadurch völlig anonymisie­rt und wird nur noch als Güterverke­hr gehandhabt.“Dabei gehe es beim Wünschen und Schenken doch um Beziehunge­n und Kontaktauf­nahme. Stattdesse­n werde „nicht mehr gewünscht, sondern geordert“, sagt die Theologin. Ganz neu ist die Idee nicht: Schon im 19. Jahrhunder­t kamen Spielzeugh­ersteller auf die Idee, den Wunschzett­el zu ihren Gunsten zu vereinfach­en und kurzerhand eine Liste anzubieten, auf der nur noch angekreuzt werden musste.

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FOTO: EPD Nicht selten kann der Wunschzett­el zu Ärger in der Weihnachts­zeit führen. Eltern sollten nicht alle Wünsche ihrer Kinder erfüllen.

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