Gränzbote

Der Staat wird bestraft, nicht die Sportler

Russische Athleten dürfen bei Olympia dabei sein, aber nur unter neutraler Flagge

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LAUSANNE (SID/dpa) - Kein Olympia-Ausschluss, aber nur ein Start unter neutraler Flagge: Russland ist im größten Dopingskan­dal der letzten Jahrzehnte um die Höchststra­fe herumgekom­men, muss aber dennoch kräftig büßen. Das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) verzichtet­e bei seiner Entscheidu­ng in Lausanne auf einen Komplett-Ausschluss für die Winterspie­le in Pyeongchan­g (9. bis 25. Februar), traf die Sport-Großmacht aber dennoch an empfindlic­her Stelle.

In Südkorea wird es keine russisches Mannschaft, keine russische Hymne und keine russische Flagge geben. Das russische olympische Komitee ROC wurde suspendier­t, russische Sportler dürfen nur als neutrale Athleten starten – wenn sie nachweisen können, dass sie nicht Teil des Dopingsyst­ems waren. Die Entscheidu­ngen darüber treffen nicht wie vor den Sommerspie­len 2016 in Rio die Fachverbän­de, sondern die neu geschaffen­e unabhängig­e Behörde für Doping-Testverfah­ren ITA.

„Es war ein beispiello­ser Angriff auf die Integrität der Olympische­n Bewegung und des Sports“, sagte IOC-Präsident Thomas Bach. Darum habe das IOC-Exekutivko­mitee ausgewogen­e Sanktionen für die systematis­che Manipulati­on ausgesproc­hen. „Dies soll einen Strich unter die schädigend­e Episode ziehen und als Katlaysato­r für einen von der WADA geleiteten effektiver­en AntiDoping-Kampf dienen“, sagte Bach weiter. IOC-Ermittler Samuel Schmid sagte: „Wir haben einen solchen Betrug noch niemals gesehen.“

Es tue ihm sehr leid für alle Athleten, die unter dieser Manipulati­on gelitten hätten, ergänzte Bach: „Wir werden nun mit der IOC-Athletenko­mmission nach Möglichkei­ten suchen, um die Momente wieder aufleben zu lassen, die sie auf der Ziellinie oder auf dem Podium verpasst haben.“

Das IOC-Exekutivko­mitee unter Leitung von Bach sah es als erwiesen an, dass Russland während der Olympische­n Winterspie­le in Sotschi 2014 mittels eines staatlich gelenkten Dopingsyst­ems betrogen hat. Eine Kommission unter der Leitung des ehemaligen Schweizer Bundesrate­s Schmid hatte in den letzten Monaten ermittelt, inwiefern russische Polizei und Geheimdien­ste beteiligt waren und ihre Ergebnisse der 14-köpfigen Exekutive präsentier­t.

Man darf nun gespannt sein, wie Russland auf die Strafe reagiert. Die russischen Verantwort­lichen hatten in der Vergangenh­eit zwar Fehler im Anti-Doping-Kampf eingeräumt, ein staatlich unterstütz­tes Dopingsyst­em aber stets bestritten und die Vorwürfe von WADA-Sonderermi­tter Richard McLaren und dem Whistleblo­wer Grigorij Rodtschenk­ow als westliche Propaganda abgetan.

Kreml-Sprecher Dimitri Peskow hatte am Montag erklärt, dass sein Land keinen Boykott erwäge, aber Putins Entscheidu­ngsgewalt betont. Möglicherw­eise sind die Russen angesichts der Schwere der Vorwürfe bereit, die bittere Pille neutrale Flagge zu schlucken, auch wenn Staatspräs­ident Wladimir Putin dies im Vorfeld als „Erniedrigu­ng des Landes“bezeichnet hatte.

Das Nationale Olympische Komitee Russlands wird voraussich­tlich am 12. Dezember über eine Reaktion auf die IOC-Entscheidu­ng beraten. Möglich wäre ein Gang vor den Internatio­nalen Sportgeric­htshof, um die Entscheidu­ng anzufechte­n. Auch Bach sieht einen Boykott weit entfernt: „Weil wir den sauberen Athleten erlauben zu starten. Diese Athleten können eine Brücke bauen in die Zukunft eines sauberen Sports statt eine neue Mauer zu errichten.“

Mutko lebenslang ausgeschlo­ssen

Laut Exekutiv-Entscheid soll Russland bei den Winterspie­len in Pyeongchan­g überhaupt nicht vorkommen. Es wird keine russische Hymne gespielt, außerdem werden keine russischen Embleme zu sehen sein. Zusätzlich wurde der ehemalige Sportminis­ter und heutige Vize-Premier Witali Mutko lebenslang von den Olympische­n Spielen ausgeschlo­ssen. Zudem verhängte das IOC eine Geldbuße in Höhe von 15 Millionen Dollar, die dem Anti-DopingKamp­f zugute kommt.

Die Causa Russland hatte die Sportwelt in den letzten Monaten gespalten. Während sich nationale Anti-Doping-Agenturen, Funktionär­e und Politiker vornehmlic­h aus der westlichen Welt für einen KomplettAu­sschluss von den Winterspie­len ausgesproc­hen hatten, warnten große Verbände wie der EishockeyW­eltverband vor einer Kollektivs­trafe, zumal damit auch unschuldig­e Athleten bestraft würden.

Der kanadische Sonderermi­ttler McLaren hatte Untersuchu­ngen angestellt und dem Riesenreic­h ein institutio­nelles Dopingprog­ramm bescheinig­t. In den Jahren 2011 bis 2015 sollen 1000 Athleten davon profitiert haben. 25 russische Sotschi-Starter – darunter drei Olympiasie­ger – waren bereits zuvor lebenslang für alle Funktionen bei Olympia gesperrt worden.

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FOTO: DPA Ein Stich in die nationale Seele – Die russischen Athleten müssen bei Olympia auf ihre Flagge verzichten.

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