Gränzbote

„Er blieb Habsburg und dem alten Glauben treu“

Edwin Ernst Weber spricht über Gottfried Werner von Zimmern, den Auftraggeb­er des Meisters von Meßkirch

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RAVENSBURG - Das zum Luther-Gedenkjahr ausgerufen­e 2017 neigt sich dem Ende zu. Am Wochenende wird in der Staatsgale­rie Stuttgart die Große Landesauss­tellung zum Meister von Meßkirch eröffnet. Sie trägt den Untertitel „Katholisch­e Pracht in der Reformatio­nszeit“. Auftraggeb­er des bis heute nur unter einem Notnamen bekannten Malers ist Graf Gottfried Werner von Zimmern (1484 – 1554). Edwin Ernst Weber, Leiter des Kreisarchi­vs und Kreiskultu­ramtes Sigmaringe­n, hat über den „Mäzen“des Meisters von Meßkirch geforscht und einen Beitrag über ihn für den Ausstellun­gskatalog verfasst. Barbara Miller hat mit dem Historiker gesprochen.

Wer war dieser Graf Gottfried Werner von Zimmern?

Gottfried Werner von Zimmern ist sicher einer der farbigsten Vertreter dieses an markanten Persönlich­keiten reichen freiherrli­chen und später gräflichen Hauses Zimmern. Schon durch seine bewegte Kindheit und Jugend. Nach der Ächtung seines Vaters wächst der junge Gottfried Werner an verschiede­nen Höfen auf – so bei der Herzogin von Bayern, dem Markgrafen von Baden und Herzog Ulrich von Württember­g. Berühmt, besser berüchtigt ist Gottfried Werner von Zimmern auch durch sein ausschweif­endes Liebeslebe­n. Zwar war die Verbindung zur Grafentoch­ter Apollonia von Henneberg eine Liebesheir­at, aber glücklich wurde die Ehe nicht. Gottfried Werner ging wüst mit seiner Frau um. Er unterhielt eine regelrecht­e Konkubinen­wirtschaft, hatte außereheli­ch acht Kinder, darunter auch Söhne, die ihm seine Frau nicht schenken konnte.

Für ihn bedeutete die Heirat mit Apollonia einen gesellscha­ftlichen Aufstieg.

Aber ja. Er ein einfacher Freiherr und sie aus einem gefürstete­n Grafengesc­hlecht – für die Hennebergs war die Verbindung eine Katastroph­e. Für die Familie derer von Zimmern freilich war das eine Rangerhöhu­ng und ein Prestigege­winn. Und Gottfried Werner schlachtet dies auch weidlich aus. Er ist der meist abgebildet­e Vertreter der Familie. Kein Altar ohne Stifterbil­d des Ehepaars, überall verbreitet er das zimmerisch-hennebergi­sche Allianzwap­pen wie Duftmarken.

Wie hat er sich gegenüber der Reformatio­n gestellt?

Graf Gottfried Werner hat sich verhalten wie fast der gesamte oberschwäb­ische Adel: Er blieb Habsburg und dem alten Glauben treu. Traumatisc­h war für die Adligen die Erhebung des Gemeinen Mannes im Frühjahr 1525. Das war, inspiriert von reformator­ischen Predigern, die bedeutends­te Freiheitsb­ewegung, die von Oberschwab­en ausging. Für den Adel war klar: Wenn sich die Gemeindere­formation und die aus dem Evangelium abgeleitet­en politische­n Forderunge­n durchsetze­n, dann wird das bestehende Herrschaft­ssystem aufgelöst. Bauer und Bürger wären zu Rechten gekommen, die sie bisher nicht hatten. Das ganze Wirtschaft­sund Herrschaft­ssystem des Adels wäre zusammenge­brochen. Man wendet sich also vehement und mit Gewalt gegen die freiheitli­che und gegen die evangelisc­he Bewegung. Und Gottfried Werner ist hier einer der prägnantes­ten Protagonis­ten. Unerbittli­ch bekämpft er die Protestant­en in seiner Residenzst­adt Meßkirch und die im Baltringer Haufen zusammenge­schlossene­n Bauern seiner Herrschaft.

Wurde aus dem religiösen ein politische­r Konflikt?

In Oberschwab­en haben wir es 1525 nicht mit einer wittenberg­ischen Fürstenref­ormation zu tun, sondern mit einer Gemeindere­formation, wie sie Zwingli propagiert­e. Der aus der Schweiz stammende Reformator Christoph Schappeler in Memmingen stand Zwingli nahe. Er gilt als einer der geistigen Väter der berühmten Zwölf Artikel. Es ging um die Umsetzung des Evangelium­s in den Alltag der Bevölkerun­g. Und das bedeutete für den Adel die Infrageste­llung der bestehende­n Herrschaft­sverfassun­g.

Nun hat der Graf von Zimmern just in jenen unruhigen Zeiten begonnen, die Kirche St. Martin in Meßkirch neu zu erbauen und neu ausgestalt­en zu lassen. Was waren seine Gründe?

Das ist ein interessan­tes zeitliches Zusammentr­effen. Im November 1525 erzwingt er von seiner rebellisch­en Residenzst­adt Meßkirch die Unterzeich­nung eines Unterwerfu­ngsvertrag­es, in dem alles, was sich die Meßkircher je an städtische­r Autonomie von den Herren von Zimmern erstritten hatten, wieder zurückgeno­mmen wurde. Ab da haben wir es in Meßkirch, übrigens anders als in Sigmaringe­n, mit einer herrschaft­lich dominierte­n Stadt zu tun mit sehr marginalen Selbstverw­altungsrec­hten. Der Neubau der Martinskir­che 1526 wirkt wie die Besiegelun­g des Triumphs des alten Glaubens. Ganz entscheide­nd wird hier die zentrale Grablege des Hauses Zimmern unterhalb des Chors. Meßkirch wird zum sakralen Mittelpunk­t der Zimmernsch­en Herrschaft. Das Totengeden­ken für die Herren von Zimmern wird Teil der täglichen Liturgie.

Ende der Woche wird die Ausstellun­g „Meister von Meßkirch“in der Staatsgale­rie Stuttgart eröffnet. Inwiefern entwickelt das Bildprogra­mm des Meßkircher Hochaltars sowie von acht bis zehn Nebenaltär­en aus der Mitte der 1530er-Jahre eine Gegenposit­ion zum neuen, evangelisc­hen Bekenntnis? Hat das der Stifter so vorgegeben?

Der Meßkircher Hochaltar und die Nebenaltär­e zeigen einen Heiligenko­smos. Das ist eindeutig ein altgläubig­es Bildprogra­mm. Und genau das hat sich der Stifter gewünscht. Es ist eine Gegenposit­ion zu der reformator­ischen Vorstellun­g, die die Mittlerfun­ktion der Heiligen radikal ablehnt. Der Altar und mit ihm der Graf von Zimmern setzen ein deutliches Zeichen zwei Jahre, nachdem im benachbart­en Württember­g 1534 durch Herzog Ulrich das reformator­ische Bekenntnis eingeführt worden war.

Der Meßkircher Altar also ein Schritt in Richtung gegenrefor­matorische Kunst.

Nicht nur. Dass ein Künstler wie der Meister von Meßkirch überhaupt zur Verfügung stand, hatte auch mit der Reformatio­n zu tun. Der Maler hatte Glück. Denn von den Protestant­en waren zunächst einmal keine Aufträge zu erwarten. Reichsstäd­te wie Ulm oder das gesamte Herzogtum Württember­g brachen weg als Auftraggeb­er für sakrale Kunst. Die Marktlage hat sich für die Künstler radikal verändert.

Haben Sie eine neue Theorie, wer sich hinter dem Meister von Meßkirch verbirgt?

Nein. Die Meßkircher können mit dem Notnamen gut leben, schließlic­h ist auf diese Weise ein herausrage­ndes Werk der bildenden Kunst des 16. Jahrhunder­ts auf immer mit ihrer Stadt verbunden. Die Ausstellun­g in der Staatsgale­rie Stuttgart über den Meister von Meßkirch wird am 8. Dezember eröffnet.

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FOTO: STAATSGALE­RIE STUTTGART Der Meister von Meßkirch hat den Stifter, Graf Gottfried Werner von Zimmern, auf der linken Seite des Wildenstei­ner Altars (Ausschnitt) abgebildet.

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