Kliniksprecher kritisiert Finder der Patientenakten
Nach brisantem Fund auf Wertstoffhof zwei Wochen lang abgewartet – Hälfte der Ordner ohne Inhalt
RAVENSBURG - Die Patientenakten der Oberschwabenklinik (OSK), die eine Privatperson jüngst auf einem Ravensburger Wertstoffhof entdeckt hat, liegen zur Auswertung bei der Polizei. Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen aufgenommen. Bekannt wurde nun: Von den 103 Patientenordnern, die bei der Polizei abgegeben wurden, sind 59 leer.
Kritik äußert Kliniksprecher Winfried Leiprecht indes am langen Zögern des Finders. Der SZ-Leser fand die Akten Anfang Dezember, spielte sie aber erst Mitte dieser Woche der „Schwäbischen Zeitung“zu und übergab sie dann der Polizei. Der Finder hätte die Akten sofort dort abliefern müssen, wo sie hingehörten, sagt Leiprecht – bei der Polizei.
Hinzu kommt, dass der Leser eigenen Angaben nach seinerzeit nur einen Teil der Akten zu fassen bekam. Die restlichen Akten verblieben auf dem Wertstoffhof und könnten jetzt – zweieinhalb Wochen später – für immer für die Ermittlungen verloren sein.
Polizei ermittelt
„Die Auswertung des recht umfangreichen Aktenmaterials läuft, die Polizei erhält dabei Unterstützung der Oberschwabenklinik“, sagt Oberstaatsanwalt Karl-Josef Diehl. Insbesondere der Weg der Akten müsse nun nachvollzogen werden – ob sie unberechtigt an den ehemaligen Belegarzt am EK übergegangen sind, wie sie die OSK verlassen haben und wie sie schließlich auf dem Wertstoffhof gelandet sind.
Außerdem werde geprüft, ob ein Straftatbestand erfüllt sei, oder „ob wir es einfach mit einem schlampigen und hochnotpeinlichen Umgang mit dem Datenschutz zu tun haben“. Eine Straftat würde vorliegen, wenn das Privatgeheimnis der Patienten vorsätzlich verletzt worden wäre.
Die Originalakten beinhalten hochsensible Daten. Sie stammen aus den Jahren 1997 bis 2008 und nennen unter anderem die kompletten Namen und Anschriften der Patienten, ihre Medikation und Behandlung (die SZ berichtete). Dass sie komplett lesbar auf dem Wertstoffhof landeten, ist ein schwerer Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen: Patientenakten müssen geschützt vor unberechtigtem Zugriff aufbewahrt werden. Nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist, die zwischen sieben und 15 Jahren liegt, müssen sie geschreddert und fachgerecht entsorgt werden.
Normalerweise sei dies in der OSK der Fall, beteuert deren Pressesprecher Winfried Leiprecht. Allerdings habe der Arzt die Akten in diesem Fall ohne das Wissen der Klinik angelegt: „Sie hätten spätestens mit Beendigung des Vertragsverhältnisses – also vor zehn Jahren – zur Archivierung bei uns abgeliefert werden müssen“, sagt Leiprecht.
Nach dem ersten Artikel zu diesem Thema am Donnerstag meldete sich eine besorgte Leserin. „Der Fall hat einiges aufgerührt“, sagt die Ravensburgerin, die eigenen Angaben nach im Familien- und Bekanntenkreis einige Menschen kennt, die nun Angst haben, namentlich in den Akten aufzutauchen. Die Frau, deren Name der Redaktion bekannt ist, sei seit vielen Jahren immer wieder Patientin der Oberschwabenklinik. „Mit diesen Daten kann man einiges an Unfug anrichten“, sagt sie und möchte ihre Akten wieder haben.
Der OSK-Sprecher rät Betroffenen, im Sekretariat der Geschäftsführung im EK nachzufragen. „Wenn jemand konkret fragt, können wir ihm sagen, ob seine Fachabteilung betroffen ist oder nicht.“Die Patientenakten, so viel kann Leiprecht sagen, bezögen sich auf einen einzigen Fachbereich, der nicht der Hauptfachabteilung der OSK angehört, „es ging um einen medizinischen Kooperationspartner“.
Dass die sichergestellten Akten nun in falsche Hände geraten könnten, dazu bestehe kein Grund zur Sorge, bestätigt auch Oberstaatsanwalt Diehl: „Es ist klar, dass wir äußerst sorgsam mit den Daten umgehen.“Es könne sogar sein, dass die betroffenen Patienten angeschrieben würden, um herauszufinden, ob sie Strafanzeige gegen den Arzt stellen wollen. Ein Videobeitrag zum Datenskandal ist zu finden auf www.schwäbische.de/datenskandal