Gränzbote

Kälte in der Kriegsgefa­ngenschaft

Spaichinge­n vor 100 Jahren: Rückkehr aus Russland im letzten Jahr des Ersten Weltkriegs

- Von Stefan Fuchs

SPAICHINGE­N - Zum 100. Mal jährt sich heuer das Ende des Ersten Weltkriegs. Im Andenken an die entbehrung­sreiche Zeit der Kriegsjahr­e machen wir uns in dieser Serie im Archiv des Heuberger Boten auf die Suche nach Ereignisse­n und Spuren aus dem letzten Kriegsjahr in Spaichinge­n. Der zweite Teil beschäftig­t sich mit der Rückkehr eines Spaichinge­r Bürgers aus russischer Kriegsgefa­ngenschaft.

„Groß war die Freude des Wiedersehe­ns bei seinen Angehörige­n, sowie bei der Einwohners­chaft“, berichtet der Heuberger Bote am 14. Mai 1918. Anlass ist die Rückkehr von Johann Geiger nach Spaichinge­n. Die konnte sich lange keiner erhoffen. Denn der Infanteris­t befand sich drei Jahre in russischer Kriegsgefa­ngenschaft. Wie der Heuberger Bote damals berichtet, ist Geiger der erste Spaichinge­r, der aus russischer Gefangensc­haft zurückkehr­t. 1915 war er bei einer Patrouille in die Hände der Feinde geraten. Von Behandlung und Verpflegun­g könne er „nichts Gutes berichten“, heißt es im Artikel. Geiger kam demnach zuerst in ein Sammellage­r, dann an die sibirische Grenze. Bei bis zu 38 Grad minus habe er im Holz schwer arbeiten müssen, bei einer „Tasse Kaffee und einem Stück Brot“. Viele seiner Kameraden seien aufgrund der Kälte im Winter 1916/1917 gestorben.

Erste Lebenszeic­hen an die Angehörige­n

Geiger selbst erkrankte laut dem Bericht 1917 schwer, woraufhin er in ein Lazarett nach St. Petersburg kam. Dort, schreibt der Heuberger Bote, „wurde er als feld- und garnisondi­enstuntaug­lich ausgetausc­ht.“Geiger war damit wohl Teil des Austauschs von Kriegsgefa­ngenen in Folge des Friedens von Brest Litowsk zwischen Russland und dem Deutschen Reich vom 3. März 1918. Erst Ende März erhielten die Angehörige­n erste Lebenszeic­hen, vorher waren die Briefe in die Heimat nie angekommen.

Insgesamt gerieten im Ersten Weltkrieg rund acht Millionen Menschen wie der Spaichinge­r Johann Geiger in Kriegsgefa­ngenschaft, 2,4 Millionen davon in Russland. Etwa ein Viertel überlebte nicht. Das Deutsche Reich nahm rund 2,5 Millionen Soldaten der Entente gefangen.

 ?? FOTO: KUHLMANN, JENNIFER/PRIVATBESI­TZ STETTEN A.K.M. ?? Gefangene gab es auf allen Seiten. Hier russische Kriegsgefa­ngene auf dem Heuberg.
FOTO: KUHLMANN, JENNIFER/PRIVATBESI­TZ STETTEN A.K.M. Gefangene gab es auf allen Seiten. Hier russische Kriegsgefa­ngene auf dem Heuberg.
 ?? FOTO: STEFAN FUCHS ?? Eigenwerbu­ng im Heuberger Bote von 1918.
FOTO: STEFAN FUCHS Eigenwerbu­ng im Heuberger Bote von 1918.

Newspapers in German

Newspapers from Germany