Fern der Heimat Verstorbene ...
Eine Veröffentlichung aus dem Jahr 1948 erinnert auch an Trossinger NS-Opfer
TROSSINGEN - Die Zeit des Nationalsozialismus wird in der lokalen Geschichtserinnung – im Gegensatz zur nationalen und internationalen – häufig eher vernachlässigt, um nicht zu sagen, „unter den Teppich gekehrt“. Eine Veröffentlichung aus dem Jahr 1948, die jüngst wieder aufgetaucht ist, erinnert an die Opfer auch aus Trossingen: Eugen Rosenfeldts „Miseris procul patria defunctis“.
Das Büchlein war Anfang Dezember kurz in den Blickpunkt der Trossinger Öffentlichkeit gerückt, als die FDP-Fraktion im Trossinger Gemeinderat aufgrund des Büchleins den Antrag stellen wollte, die Liste der KZ-Opfer auf dem Mahnmal auf dem Trossinger Friedhof zu ergänzen. Stadtrat Thomas Springer war bei der Bearbeitung eines Nachlasses im Museum Auberlehaus auf die wenige Jahre nach Kriegsende entstandene Veröffentlichung aufmerksam geworden.
Jedoch zeigte sich bei erneuter Nachprüfung, dass der Eindruck fehlender Namen auf dem Stein auf einem Missverständnis beruhte, und dass die in der Veröffentlichung genannten Namen von KZ- und anderen NS-Opfern tatsächlich auch alle auf dem Trossinger Mahnmal berücksichtigt sind. Auch ist die Tafel seitdem auf aktuellem Stand gehalten worden, indem zum Beispiel Opfer, die in dem Buch von Rosenfeldt noch als vermisst galten, auf der Gedenktafel inzwischen als Todesopfer ergänzt worden sind. Trotzdem lohnt sich ein Blick in das ergreifende Zeitdokument.
Trossingens Bürgermeister Neipp war einer der Verfolgten
Das Buch trägt den feierlichen lateinischen Titel „Miseris procul patria defunctis“- „den Unglücklichen, fern des Vaterlands Verstorbenen“eine Inschrift, die auch auf dem 1947 eingeweihten Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus auf dem Tuttlinger Friedhof steht. Herausgeber des Büchleins war Polizei-Oberkommissar Eugen Rosenfeldt (18871958), SPD-Stadtrat und Gewerkschaftsfunktionär in Tuttlingen sowie Vorsitzender des Vereins ehemaliger politischer Gefangener im Landkreis Tuttlingen. Zweiter Vorsitzender des Vereins war ein anderer Sozialdemokrat, Trossingens damaliger Bürgermeister Hans Neipp.
Rosenfeldt und seine Mitstreiter hatten gleich nach der Besetzung 1945 die Nachforschungen aufgenommen und den Verein gegründet. Eugen Rosenfeldt entwarf und baute auch die Grab- und Gedenkstätte auf dem Tuttlinger Friedhof. Die Ansprachen, die er zu deren Einweihung im Oktober 1947 und zuvor bereits im Juli ’47 bei der Beisetzung von 87 Opfern des Faschismus aus dem Landkreis gehalten hatte, sind in dem Buch dokumentiert.
Vor allem aber dokumentiert das Buch die Namen der NS-Opfer, die aus dem Landkreis Tuttlingen stammen oder in den Konzentrationslagern der Region umgekommen sind. Wobei es Rosenfeldt ein Anliegen war, auch diejenigen zu nennen, die im Krieg Opfer alliierter Bombenangriffe wurden oder als Soldaten im Krieg gefallen sind, „denn auch sie“, so gibt Hans Neipp im Vorwort zu bedenken, „würden nicht zu den Toten zählen, wenn der Faschismus nicht in Erscheinung getreten wäre“.
Als das Buch in der unmittelbaren Nachkriegszeit - wahrscheinlich im Jahr 1948 - erschien, da hatte es neben dem ehrenden Andenken an die Opfer auch einen weiteren dringlichen Zweck: Es sollte „allen Hinterbliebenen und Angehörigen der aufgezeichneten Toten die Gewissheit verschaffen, dass die vermisst oder verschollen Geglaubten wirklich tot sind, um die Angehörigen von den Qualen und Sorgen des ewig Vermisstseins zu befreien und gleichzeitig nachzuweisen, dass die toten Angehörigen nunmehr in würdigen Grabstätten beigesetzt sind, und diese Gedenkstätten gepflegt und betreut werden“, schreibt Hans Neipp im Vorwort.
Zunächst werden die 1755 Todesopfer aus dem Lager Schömberg namentlich aufgeführt, getrennt nach 24 Nationen, Staatenlosen und Opfern unbekannter Nationalität. Die weitaus meisten kamen aus Russland und Polen. Es folgen die Opfer der Lager Schörzingen und Spaichingen sowie andere im Landkreis Tuttlingen ruhende KZ’ler.
Opfer der Euthanasie
Eine weiter Opferkategorie sind „durch Vergasung und Erschießung ums Leben gekommene Kreisangehörige“. Aus Trossingen sind hier 18 Namen genannt, darunter die einiger „Alt-Trossinger“Familien. Das jüngste Trossinger Opfer aus dieser Kategorie war 19 Jahre alt, das älteste 83. Die meisten von ihnen dürften bei Euthanasie-Aktionen umgebracht worden sind.Unter der Rubrik „Gefallen Militärangehörige“sind 282 Namen aus Trossingen genannt, 29 aus Durchhausen, 26 aus Talheim und 18 aus Gunningen. Zehn Zivilpersonen aus Trossingen und zwei aus Talheim sind bei Fliegerangriffen ums Leben gekommen.
Das Buch, so betont Hans Neipp in seinem Vorwort, soll nicht nur die Namen und das Andenken der Opfer ehren und festhalten, sondern es soll auch den Leser aufrufen, die Frage „Wie war dies möglich“„selbst [zu] stellen und hoffentlich zu der Erkenntnis [zu] kommen, dass nur die wahre Demokratie, welche die Menschenrechte achtet, solche Weltkatastrophen verhindern kann“.