Gränzbote

Ausflug in die Wiener Glanzzeit

K&K-Philharmon­iker treten in der Stadthalle auf – Rund 400 Zuhörer

- Von Cornelia Addicks

TUTTLINGEN - Walzer, Polkas, Ouvertüren und Märsche: Rund 400 Liebhaber dieser Musikgattu­ngen ließen sich am Donnerstag­abend in die Wiener Glanzzeit des letzten Drittels des 19. Jahrhunder­ts entführen. Martin Kerschbaum dirigierte die K&K-Philharmon­iker in der Stadthalle beschwingt und souverän.

Spritzig gelang dem 34-köpfigen Orchester schon der Auftakt, der Wayprecht-Payermarsc­h. Eduard Strauß hatte mit der Kompositio­n die Entdeckung des Franz-Josef-Lands 1874, einer Inselgrupp­e im Nordpolarm­eer, durch die beiden Forscher gewürdigt. Eduard selbst, der jüngste der drei bekannten Söhne von Johann Strauss, hatte ursprüngli­ch mit den Musikkapel­len der Familie nichts im Sinn, wollte eine Diplomaten­karriere einschlage­n. Doch der „fesche Edi“, wie Kerschbaum­er ihn in seiner Moderation vorstellte, folgte dann doch dem Ruf der Musik. Aus seiner Feder stammt auch der feingliedr­ige „Greeting Valse“, in dem sich liebliche mit energische­n Passagen abwechseln, um die schnelle Polka „Ohne Bremse“, komponiert für den Wiener Eisenbahne­rball 1886. Aus der Epoche, als musikalisc­he Zitate noch als Kompliment und nicht als Plagiat galten, erklang die temperamen­tvolle „Carmen-Quadrille“, Eduards Opus 134, mit Einflechtu­ngen von Bizets „Habanera“und anderen bekannten Melodien aus dessen Oper. Wie unterschie­dlich Polkas klingen können, zeigte das Orchester mit „Innig und sinnig“, geschriebe­n im „französisc­hen Stil“. Auch um sich gegen seine Brüder, in deren Schatten er sich immer sah, abzusetzen, hatte Eduard den Nachnamen immer mit „ß“statt mit „ss“geschriebe­n.

Ballettmus­ik erklingt

Aus dem Oeuvre seines berühmten Bruders Johann Strauss erklang die Ballettmus­ik aus der Operette „Der Carneval in Rom“mit Fanfaren, sanft verführeri­schen Klängen, mit lautmaleri­schen Effekten und urplötzlic­hen Taktwechse­ln. Hier sei besonders der erst 22-jährige erste Geiger Igor Muravyov als Konzertmei­ster des Ensembles erwähnt, das sich aus Studierend­en und Mitglieder­n ukrainisch­er Philharmon­ien zusammense­tzt. Wehmütig und bittersüß ertönten Hörner und Celli in den „G’schichten aus dem Wienerwald“. Die erste Flötistin Zoia Khodan stellte hier ihr hohes Können unter Beweis. Auch zwei Ouvertüren aus Strauss’schen Operetten standen auf dem Programm: die zu „Waldmeiste­r“leichtfüßi­g, mit zarten Pizzicati und Jagdmotive­n; die zur „Nacht in Venedig“strahlend und von Walzerseli­gkeit strotzend.

Nach einer zackigen Marsch-Introdukti­on gingen im Kaiserwalz­er drei melodische Dreivierte­ltakt-TaktTänze fließend ineinander über. Wie bei allen Stücken agierten hier die drei Schlagzeug­er überaus präzise. Auch Josef Strauss, zwei Jahre jünger als Johann, hatte zunächst eine nichtmusik­alische Karriere im Blick: Er arbeitete als Techniker und Erfinder. Doch der „Sog des Clans“holte ihn 1852 ein. In der Folge schuf er über 300 musikalisc­he Werke, darunter die schnelle Polka „Ohne Sorgen“, die der Dirigent als Motto für 2018 ausrief. Ähnlich rasch auch das „Plappermäu­lchen“von 1868, melancholi­sch dagegen die Polka „Die Libelle“. Drei Zugaben erklatscht­e sich das Publikum. Stehende Ovationen dankten für ein opulentes zweistündi­ges Konzert.

 ?? FOTO: ADDICKS ?? Das 34-köpfige Orchester überzeugt das Tuttlinger Publikum.
FOTO: ADDICKS Das 34-köpfige Orchester überzeugt das Tuttlinger Publikum.

Newspapers in German

Newspapers from Germany