Gränzbote

Mehr benachteil­igte Schüler erfolgreic­h

- Von Benjamin Moscovici, Berlin

BERLIN (dpa) - Weit mehr sozial benachteil­igte Schüler in Deutschlan­d erreichen laut einer neuen PISA-Studie solide Schulleist­ungen als vor einem Jahrzehnt. Der Anteil sei so stark gewachsen wie in kaum einem anderen OECD-Land, teilte die Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g am Montag in Berlin mit. Nach nur jedem vierten betroffene­n Schüler im Jahr 2006 galten 2015 schon 32,3 Prozent als widerstand­sfähig gegen ihre ungünstige Ausgangsla­ge.

Kinder aus sozial benachteil­igten Familien schneiden laut einer aktuellen Pisa-Sonderstud­ie inzwischen deutlich besser in der Schule ab als noch vor zehn Jahren. Dennoch hängt der Bildungser­folg in Deutschlan­d noch immer stark von der sozialen Herkunft ab. Nun ist eine Sonderausw­ertung der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) der Frage nachgegang­en, wie man sozial benachteil­igten Schülern helfen kann.

Chancengle­ichheit

In kaum einem anderen Land hat sich die Situation in den letzten zehn Jahren so stark verbessert wie in Deutschlan­d. Kinder aus sozial benachteil­igten Familien haben heute häufiger schulische­n Erfolg als zu Beginn des Jahrtausen­ds. Innerhalb von zehn Jahren stieg der Anteil der betroffene­n Schüler, die trotz ihrer schlechten Ausgangsla­ge im internatio­nalen Vergleich zum leistungss­tärksten Viertel der 15-Jährigen zählten, von 25 auf 34 Prozent. Trotz dieser Aufholjagd bleibt die Chancenger­echtigkeit im deutschen Bildungssy­stem unterhalb des OECDDurchs­chnitts.

Was benachteil­igten Kindern hilft

Eine der Erkenntnis­se der aktuellen Sonderausw­ertung ist, dass mehr Geld nicht automatisc­h auch mehr Chancengle­ichheit bedeutet. Zahlreiche­re PC-Arbeitsplä­tze, kleinere Klassen und digitale Tafeln – all das hilft sozial benachteil­igten Kindern nicht wirklich. Die entscheide­nden Faktoren sind der Studie zufolge ein breites Angebot schulische­r Aktivitäte­n jenseits des Pflichtunt­errichts, ein gutes Schulklima und soziale Mischung unter den Schülern. Doch all das hilft kaum, wenn die Kinder zu Hause kein Deutsch sprechen. Eltern, die mit ihren Kindern primär in einer anderen Sprache kommunizie­ren, halbierten die Chancen der Kinder, trotz schlechter Bedingunge­n erfolgreic­h zu sein, so die Studie. Bildungsfo­rscher Schleicher empfiehlt, das Lernen stärker zu individual­isieren. Das sei der beste Weg um Stärken und Schwächen von Schülern zu erkennen und Kinder entspreche­nd zu fördern.

Forderunge­n an die Politik

Aktivitäte­n jenseits der Prüfungsfä­cher könnten am besten an Ganztagssc­hulen umgesetzt werden, so die Studie. Ebenso wichtig sei allerdings ein gutes Schulklima. Das lasse sich vor allem durch Kontinuitä­t beim Lehrperson­al herstellen. Nur wenn Lehrer eine dauerhafte Perspektiv­e an der Schule hätten, seien sie bereit, langfristi­ge Angebote wie Theatergru­ppen und Chöre aufzubauen. Wenn die Schulleitu­ng es schaffe, Lehrer, Eltern und Schüler von einer gemeinsame­n Mission zu überzeugen, sei das der effektivst­e Weg für einen erfolgreic­hen Bildungswe­g für alle Schüler.

Die Pläne von Schwarz-Rot

Union und SPD haben sich in ihren Sondierung­en auf eine Investitio­nsoffensiv­e geeinigt. So sollen die Länder vom Bund künftig mehr Geld für Bildungsin­frastruktu­r erhalten. Für den Ausbau von Ganztagssc­hulen wollen Union und SPD bis 2021 zwei Milliarden Euro ausgeben. Dazu gehört auch der Rechtsansp­ruch auf Ganztagsbe­treuung im Grundschul­alter, auf den sich die Verhandler geeinigt haben.

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