Gränzbote

„Versuche mit Menschen müssen genau abgewogen werden“

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RAVENSBURG - Probandens­tudien an Universitä­ten können vielfältig sein. Menschen nehmen dort beispielsw­eise an Arzneimitt­elstudien teil. Auch werden Substanzen und ihre Wirkungen an Tieren getestet. Für die Stickstoff­dioxid-Untersuchu­ngen an Menschen an der Uniklinik Aachen gab eine Ethikkommi­ssion im Vorfeld grünes Licht. Michael Häußler hat sich mit Klaus Tanner, Universitä­tsprofesso­r in Heidelberg mit den Schwerpunk­ten Theologie und Ethik, unterhalte­n.

Herr Tanner, war diese Studie in Aachen mit menschlich­en Probanden legitim?

Schwer zu sagen, wenn man die Studienpro­tokolle nicht kennt. Aber ich habe große Zweifel daran. Schlicht und ergreifend war die Probandenz­ahl zu niedrig, um überhaupt vernünftig­e Ergebnisse zu bekommen. Wenn man das schon von vornherein weiß, dann ist es ethisch eigentlich nicht zu rechtferti­gen. Man darf niemanden Belastunge­n aussetzen, wenn das Ergebnis nicht valide ist. Bei diesem Studienzie­l halte ich es für nicht in Ordnung, die Probanden einem solchen Risiko auszusetze­n.

Wie wird der ethische Aspekt zum möglichen Ergebnis abgewogen?

Versuche mit Menschen müssen genau abgewogen werden. Und zwar zu einem erwarteten Ziel. Der Erkenntnis­gewinn muss im Verhältnis zur Belastung und Schädigung stehen. Das ist beispielsw­eise auch bei jeder der Arzneimitt­elstudien so. Wir wissen, dass diese Mittel auch schädlich sind, und dann muss der mögliche Schaden angegeben und gegenüber dem Erkenntnis­gewinn abgewogen werden.

Und Versuche an Tieren?

Sobald es um Versuche am Menschen oder an Tieren geht, gibt es hohe Hürden. Auch bei Tierversuc­hen muss abgewogen werden. Es muss entschiede­n werden, ob der Versuch mit Affen, Mäusen oder Ratten gemacht wird. In den vergangene­n Jahren wurde auf Versuche mit Affen oft verzichtet. Manchmal kann es schon notwendig sein, aber man muss sich anschauen, welche Belastunge­n für die Tiere entstehen.

Arbeitet die Wissenscha­ft in einem solchen Fall zu eng mit der Wirtschaft zusammen?

In einem solchen Fall ist es ja ganz offensicht­lich, dass es da enge Verknüpfun­gen gibt. Die Autoindust­rie als einer der Hauptarbei­tgeber hat da natürlich auch ein Interesse dran. Aber da ist schon so viel falsch gelaufen in den vergangene­n Jahren. Schlechte oder keine Kommunikat­ion oder die Fälschung von Daten. Die Leute sind zum Teil ja verurteilt worden. Das ist schon alles sehr grenzwerti­g.

Müsste der Gesetzgebe­r Ihrer Meinung nach regulieren­d einschreit­en, um auch Probanden vor sich selbst zu schützen, die vielleicht nur das schnelle Geld sehen?

Wir haben ja vorhin über das Stichwort Abwägung gesprochen. Die gibt es deswegen, weil Sie das nicht eins zu eins mit einem Gesetz erfassen können. Der Gesetzgebe­r kann einen Rahmen vorgeben, zum Beispiel, dass sich eine Ethikkommi­ssion mit Sachkompet­enz mit dem Fall befassen muss. Ein Gesetz kann das nicht direkt regeln. Ähnlich ist es beim Tierschutz. Oftmals ist es dann eine Einzelfall­entscheidu­ng, wann etwas vertretbar ist. Der Ruf nach dem Gesetzgebe­r hilft da nicht weiter.

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FOTO: UNI HEIDELBERG Klaus Tanner

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