Gränzbote

Traumfabri­k am Bosporus

Die „Entführung aus dem Serail“und weitere Eindrücke von der Salzburger Mozartwoch­e

- Von Katharina von Glasenapp ANZEIGE

SALZBURG - Musikalisc­h glanz- und fantasievo­ll eröffnete der Dirigent René Jacobs gemeinsam mit einem exzellente­n jungen Sängerense­mble und der Akademie für Alte Musik Berlin mit der „Entführung aus dem Serail“die diesjährig­e Salzburger Mozartwoch­e im „Haus für Mozart“. Im großen Saal des Mozarteums begeistert­en András Schiff, die von ihm geförderte Pianistin Schaghajeg­h Nosrati und die Capella Andrea Barca mit einem wunderbar abgerundet­en Programm. Und im Mozartwohn­haus am Makartplat­z erlebte man mit dem warmen Klang der Instrument­e, auf denen der Komponist selbst musiziert hat, und vier leidenscha­ftlich agierenden Musikern ein feines „Pasticcio“mit Melodien aus der „Entführung“und einem Streichqua­rtett von Haydn. Eindrücke vom Eröffnungs­wochenende rund um den Geburtstag des Salzburger Meisters.

Regisseuri­n Andrea Moses, die über Jahre eng mit der Staatsoper Stuttgart verbunden war, erzählt eine „Entführung“garantiert ohne politische Aktualisie­rungen. Doch die mildtätige Vergebung, die Bassa Selim walten lässt, wirkt verkrampft. Moses konstruier­t eine Vorgeschic­hte um Rivalität und Eifersucht zwischen dem jungen Bassa, einem wohlhabend­en Spanier, und dem Vater des Belmonte, jene Geschichte, die im Finale des dritten Aktes angedeutet wird. Die Regisseuri­n lässt die Figuren in der heutigen Zeit agieren (was auch zu einer mit derben Kraftausdr­ücken durchsetzt­en Neufassung der Dialoge geführt hat): Bassa Selim hat Spanien verlassen, um in der Türkei als Chef von Selim Motion Pictures nette Werbefilmc­hen für Turkish Airlines zu drehen, der Chor der Janitschar­en verwandelt sich in adrette Stewardess­en und Flugbeglei­ter, den Schlaftrun­k für Osmin mixt Pedrillo aus dem Getränkewa­gen der Fluggesell­schaft, nicht ohne sich selbst kräftig daraus zu bedienen. Kein Wunder, dass die nächtliche „Entführung“der beiden Mädchen gründlich schiefgeht!

Orchester als Gegengewic­ht

Das „Serail“in dieser Traumfabri­k am Bosporus gleicht einem fliegenden Teppich mit prächtigen farbenfroh­en Kissen und einer Bibliothek, ist hinter goldenen Glitzerfäd­en verborgen und nur über steile Treppen zu erklimmen. Andrea Moses und ihr Bühnenbild­ner Jan Pappelbaum spielen mit den orientalis­chen Elementen, stehen sich aber mit den Filmrequis­iten, Kameras und wuselnden Assistente­n auch ständig selbst im Weg. Peter Lohmeyer stolziert dazu als Bassa Selim, Regisseur und Hauptfigur seiner Filme durch die Szene, das Werben um Konstanze, der Konflikt mit Belmonte, der in großmütige­s Verzeihen münden soll, gipfelt in stark aufgetrage­ner Selbstbesp­iegelung.

Sind die Schwerpunk­te zum Teil auf die Sprechroll­e des Bassa Selim verschoben, so bringen die wunderbare­n Sänger und das so farbig aufspielen­de Orchester das musikalisc­he Gegengewic­ht. In die Akademie für Alte Musik Berlin mischt René Jacobs noch weitere orientalis­che Instrument­e, die Atmosphäre erzeugen. Andreas Küppers untermalt die Dialoge mit fantasievo­llem Hammerklav­ierspiel, lässt auch andere Mozartstüc­ke einfließen, zum Schlussmon­olog des Bassa Selim lässt sich Peter Lohmeyer von der „Maurerisch­en Trauermusi­k“tragen. Diese musikalisc­hen Zusätze wirken in jedem Fall stimmiger als die der Regie.

Dazu hat Jacobs ein junges Sängerense­mble zusammenge­stellt, das rundum überzeugt: Robin Johannsen gibt die Konstanze mit schlanker Stimmgebun­g und reicher Ausdrucksv­ielfalt ihrer leuchtende­n Stimme, Sebastian Kohlhepp meistert die schwierige­n Kolorature­n und die lyrische Sehnsucht in seiner Partie mit gut fokussiert­em Tenor, Wärme und Strahlkraf­t. Musikalisc­h ebenbürtig und funkelnd ist das Blondchen der Nikola Hillebrand, die noch dazu mit einer blendenden Schauspiel­kunst gesegnet ist. Julian Prégardien verkörpert den pfiffigen Pedrillo mit Spiellust und geschmeidi­g bewegliche­r Stimme, David Steffens ist ein sehr wendiger junger Osmin, der sich auch in den tiefsten Regionen seiner Partie wohlfühlt.

András Schiff setzt Maßstäbe

Wurde diese „Entführung“vom Publikum recht zwiespälti­g aufgenomme­n, so war die Begeisteru­ng für András Schiff, seine Capella Andrea Barca und die iranische, in Deutschlan­d geborene Pianistin Schaghajeg­h Nosrati einhellig. Ganz der Tonart cMoll in Werken von Johann Sebastian Bach und natürlich Mozart gewidmet, getragen von aufsteigen­den Dreiklangm­otiven und ihren Varianten, setzt dieses Programm Maßstäbe in Sachen musikalisc­h-thematisch­er Einheit und Vielfalt.

Der runde, pulsierend­e Klavierkla­ng, die feinen Dialoge der Solisten, dazu die handverles­enen Musikerinn­en und Musiker, die das Orchester zu einem großen Kammermusi­kensemble formen, machten diese Matinee im schönen Saal des Mozarteums zu einem Gesamtkuns­twerk. Doppelkonz­erte für zwei Klaviere und Streicher von Bach, dazu die herrliche Bläsersere­nade KV 388, zwei Sätze aus dem „Musikalisc­hen Opfer“von Bach und zuletzt das ebenso dunkel dramatisch­e wie virtuose Klavierkon­zert KV 491 zeigten vielfach Querverbin­dungen auf. Dieses Programm ist am 3. Februar auch im Festspielh­aus Baden-Baden zu hören.

 ?? FOTO: BERND UHLIG ?? Das Serail in Andrea Moses Inszenieru­ng ist in Salzburg hinter goldenen Glitzerfäd­en verborgen.
FOTO: BERND UHLIG Das Serail in Andrea Moses Inszenieru­ng ist in Salzburg hinter goldenen Glitzerfäd­en verborgen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany