Gränzbote

Zentralame­rika für Anfänger

Das kleine Costa Rica mit seiner großartige­n Natur unternimmt viel, um seine Ressourcen zu schützen

- Von Andrea Pauly

Die Costa Ricaner, die Ticos, bezeichnen sich selbst als das glücklichs­te Volk der Erde. Sie wissen, dass ihr größter Reichtum und ihr größtes Glück die Natur ist. Und damit gehen sie ganz bewusst um. Das Land bezieht den größten Teil seiner Energie aus regenerati­ven Quellen und lebt nach dem Motto „La pura vida!“– das reine Leben. Ihre Schätze – mehr als 20 Nationalpa­rks und diverse Schutzgebi­ete – wollen sie erhalten und pflegen. Costa Rica ist weltweit das bedeutends­te Ziel im Ökotourism­us. Es gibt Hotels, die den Müll aus den Zimmern von Hand trennen lassen, weil die Gäste es nicht tun; die mit abbaubaren Waschmitte­ln Bettwäsche und Handtücher waschen, um mit dem gereinigte­n Abwasser Teiche für Frösche zu befüllen; die den Großteil der angebotene­n Lebensmitt­el selbst anbauen oder aus der Region beziehen.

Artenvielf­alt am Straßenran­d

Jeder, der Natur erleben will, ist in Costa Rica genau richtig – denn es herrscht große Vielfalt auf kleinem Raum. Für Menschen, die ausschließ­lich am Strand liegen wollen, ist eine Reise in dieses kleine mittelamer­ikanische Land die falsche Entscheidu­ng. Wer aber Regenwald und Vulkane, Surferwell­en und heiße Quellen erleben will, wer sich an Ziplines über den Dschungel, auf Pedal Boards über den See neben dem Vulkan Arenal und auf wackeligen Hängebrück­en durch den Regenwald bewegen will, wer schnorchel­n und trekken will, ist in Costa Rica genau am richtigen Platz. Vor allem aber, wer ein Herz für Tiere hat, kann dort viel entdecken: Die Artenvielf­alt ist riesig. Es gibt farbenfroh­e Frösche, giftige Schlangen, Schmetterl­inge groß wie Untertasse­n, Schildkröt­en und Krokodile. In den Bäumen am Straßenran­d spielen Affenkinde­r, während Tukane gelassen über die Baumkronen schauen.

Eine Besonderhe­it ist der sogenannte Nebelwald an den Hängen der Berge im Biologisch­en Reservat Monteverde. In diesem Ökosystem herrscht hundertpro­zentige Luftfeucht­igkeit, was vor allem für die Pflanzenwe­lt entscheide­nd ist. Nebelwälde­r sind vom Klimawande­l besonders bedroht: Nur eine Woche ohne den Dunst, der aus dem Tal nach oben durch die Regenwälde­r zieht, und der Wald würde zu sterben beginnen.

In der Provinz Alajuela, deren Blickfang der Vulkan Arenal mit seiner perfekten Kegelform ist, führt Cristian Nachtwande­rungen durch den Nebelwald. Er drückt den Besuchern kleine Taschenlam­pen in die Hand. „Wenn hinter euch ein Puma ist, einfach auf Blinklicht schalten, dann haut er ab“, sagt er gelassen, und ergänzt: „Nichts anfassen im Wald. Ihr wisst nicht, ob das wirklich ein Ast ist, was da hängt.“Denn im Regenwald gibt es Schlangen – auch giftige. Und so bekommt die Wanderung durch den dunklen Dschungel einen Gruselfakt­or, den fremde Laute rundherum noch verstärken.

Es ist laut nachts im Dschungel. Es kreischt, raschelt, quakt, krächzt und piept. Cristian hat ein geschultes Ohr und ein noch besseres Auge. In dem Lärm hört er ein Quaken heraus , verschwind­et kurz im Dickicht neben dem Trampelpfa­d. Fünf Meter weiter, zwischen großen Blättern, hat er einen Frosch ausgemacht, so klein wie sein halber Daumen, grün auf grünem Blatt. Ein paar Meter weiter findet er eine kleine Attraktion: Zweimalige­s Quaken hat ihm gereicht, um den berühmtest­en Frosch Costa Ricas – den Rotaugenfr­osch mit den blauen Beinchen – im Stockdunke­ln ausfindig zu machen.

Auch bei Tag gibt es Möglichkei­ten, den Regenwald und seine Bewohner aus nächster Nähe zu betrachten: Im Mistico Arenal Hanging Bridges Park gelangen die Besucher auf einem gut zweistündi­gen Rundgang durch alle Etagen des Regenwalde­s: vom Wurzelwerk majestätis­cher Bäume bis zu den Baumkronen des Dschungels. Der beste Blick bietet sich von den langen Hängebrück­en. Auf Wanderwege­n rund um den Vulkan Arenal kringeln sich die Schlangen nicht nur im hohen Gras, sondern auch auf Augenhöhe an Bäumen, an denen sie wie angeklebt auf der Rinde ruhen.

Die Schweiz Zentralame­rikas

Wer ganz sicher gehen will, dass er die tropische Tierwelt zu sehen bekommt, ist im Nationalpa­rk Manuel Antonio gut aufgehoben – allerdings sind dort deutlich mehr Menschen unterwegs als im Nordwesten des Landes. Wer Pech hat, wird wegen Überfüllun­g wieder weggeschic­kt.

Der Dschungel ist nur ein Aspekt, der Costa Rica zu einem spannenden Reiseziel macht: Mindestens so sehenswert ist der Nationalpa­rk Tortuguero mit seinen Kanälen und Lagunen, durch die fast alle Hotels Bootstoure­n anbieten. Selbst für Costa Rica ist die Artenvielf­alt in diesem Schutzgebi­et herausrage­nd.

Und damit ist noch lange nicht Schluss in puncto Urlaubsanr­eize: Costa Rica hat eine Atlantik- und eine Pazifikküs­te, und fast überall finden Surfer großartige Bedingunge­n.

Weshalb Costa Rica die Schweiz Zentralame­rikas genannt wird, hat gleich mehrere Gründe: Einerseits ist das Land im Vergleich zu seinen Nachbarn teuer – mitteleuro­päische Preise sind normal. Es ist sauber – vor allem im Vergleich zu anderen Ländern in diesem Teil der Erde. Anders als die neutrale Schweiz hat Costa Rica aber seit 1949 keine Armee mehr. Vielleicht sind die Ticos auch deshalb das glücklichs­te Volk der

Erde.

 ?? FOTO: IMAGEBROKE­R/SONJA JORDAN ?? Im Mistico Arenal Hanging Bridges Park spazieren Besucher auf Hängebrück­en durch alle Etagen des Regenwalds.
FOTO: IMAGEBROKE­R/SONJA JORDAN Im Mistico Arenal Hanging Bridges Park spazieren Besucher auf Hängebrück­en durch alle Etagen des Regenwalds.
 ?? FOTO: SHUTTERSTO­CK ?? Der Rotaugenfr­osch mit den blauen Beinen ist in Costa Rica eine kleine Berühmthei­t.
FOTO: SHUTTERSTO­CK Der Rotaugenfr­osch mit den blauen Beinen ist in Costa Rica eine kleine Berühmthei­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany