Deko und wahre Kunst
Die Art Karlsruhe setzt Duftmarken mit außergewöhnlichen Skulpturen
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KARLSRUHE - In vier Messehallen präsentieren 215 Galerien ein Angebot, das von einer spektakulär geschrotteten MiG-21 über ein Gemälde von Ernst Ludwig Kirchner bis zum Schwarzspecht „Zorro“reicht. Die von Ewald Karl Schrade konzipierte Art Karlsruhe hat sich in ihrer
15. Auflage mehr als etabliert. Für Aufregung sorgte eine Bild, das den türkischen Präsidenten in einer despektierlichen Pose zeigt: Das Bild wurde nach Protesten abgehängt.
Die MiG-21 ist der Blickfang: Der Berliner Galerist Michael Schultz hat den Kampfjet zusammen mit zwei halb zertrümmerten Cadillacs auf die
15. Art Karlsruhe geholt. Das Flugzeug und die Luxuskarossen sind Teil einer Crash-Installation von Bernd Reiters, die der Künstler „Ironie des Schicksals“nennt. Der Titel trieft vor bitterer Ironie. Denn in die Flanken der ausgemusterten Maschine sind Flachbildschirme montiert, auf denen Dokumentaraufnahmen aus dem SyrienKrieg laufen. Zu der Installation gehört außerdem ein Schlauchboot, vollgepackt mit 20 Monitoren. Auf ihnen flimmern Bilder von Flüchtlingen, die in Seenot geraten sind.
Reiters Arbeit wurde bereits auf der Kölner Art.Fair 2016 gezeigt. Was ihre humanitären Aspekte anbelangt, ist sie immer noch aktuell, ansonsten wurde sie von den Tagesereignissen überholt. Reiter inszeniert seine Kunst-Katastrophe als Aufeinanderprallen der beiden Großmächte USA und Russland – mit Putin-Bildern im Cockpit und Aufnahmen vom Weißen Haus in den schwarzen Limousinen. Inzwischen aber ist mit der Türkei mindestens ein weiterer Akteur in diesem Stellvertreterkrieg hinzugetreten.
So politisch wie am Stand H2/A17 ist die Art Karlsruhe sonst selten. Außer noch im Fall von Thomas Baumgärtel. Der hat dem türkischen Präsidenten Recep Ayyip Erdogan eine gelbe Tropenfrucht, Baumgärtels Markenzeichen als „Bananensprayers“, in den Anus gesteckt. Das Ergebnis war der turbulente Auftritt eines Erdogan-freundlichen, türkischen Journalisten am Messestand in Halle 2, in deren Folge der Galerist Michael Oess die Arbeit abhängte. Baumgärtel kündigte daraufhin die Zusammenarbeit mit Oess auf. Schöner Nebeneffekt für beide: Die Arbeit wurde für 5 900 Euro verkauft.
Dabei fällt sie eigentlich in die Kategorie Deko, ähnlich wie die Kunststoff-Artikel von Otmar Hörl, der sein umfangreiches Plastik-Repertoire an Dürer-Hasen, Karl-Marx-Köpfen und anderen abgussfähigen Objekten um den Schwarzspecht „Zorro“erweitert hat. Jetzt ziert der Vogel in vervielfältigter Version zusammen mit locker hingepinselten Malereien, die unter dem Stichwort „Naturschauspiel“firmieren, eine Wand der Galerie Abtart aus Stuttgart.
Von 1 bis 3,7 Millionen Euro
215 Galerien aus 15 Ländern breiten bis einschließlich Sonntag in vier Hallen ihr Angebot aus. Die Mischung ist in mehrfachem Sinn bunt und erstreckt sich zeitlich von der Klassischen Moderne bis in die unmittelbare Gegenwart, preislich von einem Euro für Postkarten am Stand der Edition Staeck bis zu 3,7 Millionen Euro für eine „Sängerin am Piano“von Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938), die Henze & Ketterer zum Verkauf bereit hält. Neben diesem Hochkaräter der Schweizer Galerie, die zum Ausstellerstamm der Art Karlsruhe gehört, nimmt sich der Preis für Bernd Reiters MiG-Cadillac-Kombi bei Michael Schultz wie ein Schnäppchen aus. Sie soll, wie zu hören ist, 1,5 Millionen Euro kosten.
Dass Schultz überhaupt an der Karlsruher Kunstmesse teilnimmt, sei nicht zuletzt der Verbundenheit mit Ewald Karl Schrade zu verdanken, berichten Insider. Schrade, seit über 40 Jahren als Galerist unterwegs, unterhält außer in Karlsruhe eine Dependance im Schloss Mochental bei Ehingen. Er ist nicht nur bestens vernetzt – er verfügt auch über den nötigen Enthusiasmus, damit die von ihm vor 15 Jahren konzipierte und initiierte art in Schwung bleibt. Als er 2003 seine Pläne vorstellte und 2004 erstmals mit der Messe antrat, war die Skepsis groß, die Teilnahme gering. Längst ist die Nachfrage nach Messeplätzen groß genug, dass ein Beirat über die Zulassung entscheiden muss.
Ein besonderes Anliegen sind Schrade die Skulpturenplätze. Bildhauerei zählt nicht unbedingt zu den Favoriten von Kunstmessen. Hier hat die Art Karlsruhe von Anfang ein Alleinstellungsmerkmal, zu dessen Stärkung jetzt sogar eine eigene Auszeichnung gestiftet wurde, mit 20 000 Euro dotiert und benannt nach dem Bildhauer Wilhelm Loth (1920-1993). Aber obgleich Geld immer wieder (und grundsätzlich) eine wichtige Rolle spielt: Die Art Karlsruhe bleibt auch für Menschen ohne den entsprechenden finanziellen Hintergrund ein lohnenswertes Ziel, gibt es dort einfach viel Anregendes zu sehen und zu entdecken.
Die Art Karlsruhe auf dem Messegelände in Rheinstetten bei Karlsruhe ist bis Sonntag geöffnet von 11 bis 19 Uhr.