„Und führe uns nicht in Versuchung“
Papst Franziskus findet Fehler im deutschen Vaterunser – Tuttlinger Pfarrer halten an bisheriger Version fest
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TUTTLINGEN – Es könnte der Eindruck aufkommen, dass Gott die Menschen aktiv in Versuchung bringt. So kritisiert Papst Franziskus die Zeile „und führe uns nicht in Versuchung“, wie sie in der deutschen Übersetzung des Vaterunser steht. Am Donnerstag hat die Deutsche Bischofskonferenz in Bonn entschieden, dass sie keine Notwendigkeit einer Neuübersetzung sieht. Diese Meinung teilen auch die Tuttlinger Pfarrer.
Es sei eine wörtliche Übersetzung, so die Deutsche Bischofskonferenz. Außerdem werde die Bitte sowieso nur ausgesprochen, weil man wisse, dass sie von Gott erfüllt wird. Dem stimmen auch die Tuttlinger Pfarrer zu: „Der Vers ist so zu verstehen, dass wir Gott darum bitten, uns nicht in Versuchung geraten zu lassen“, sagt der katholische Dekan Matthias Koschar. Er meint, es sei unbestritten, dass es das Böse auf der Welt gibt und dass Gott es für die Freiheit der Menschen bewusst zulässt. Dennoch bleibe das Böse immer von Gottes Liebe umfangen.
Diskussion ist „guter Anstoß“
Wie Dekan Koschar sieht auch Richard Grotz, Pfarrer der katholischen Gesamtkirchengemeinde Tuttlingen, die Diskussion über den Vers als „guten Anstoß“. Er hofft, dass die Menschen sie als Aufforderung zu sehen, sich mit dem oft gedankenlos gebeteten Vaterunser auseinander zu setzen. Er ist sich sicher: Das Vaterunser wird auch künftig gebetet werden wie bisher.
Auch die evangelische Pfarrerin Philine Blum möchte die herkömmliche Formulierung beibehalten. „Das Vaterunser eint die Christen. Wir können es sogar über die Konfessionsgrenzen hinweg gemeinsam beten“, sagt sie. Trotzdem gesteht sie ein, dass das Gebet ein paar Schwächen hat: „Es gibt ein paar Momente, die sich nicht sofort erschließen und über die es sich zu diskutieren lohnt.“