Der Zug fährt grün
Flixbus-Tochter Flixtrain verbindet künftig Stuttgart mit Berlin
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BERLIN - Die Werbung auf dem knallgrünen Waggon des ersten Flixtrain-Zuges von Berlin nach München verheißt günstiges Bahnfahren. „Berlin-Stuttgart ab 9,99 Euro, Frankfurt-Stuttgart ab fünf Euro“, lautet der Schriftzug. Das erinnert ein wenig an den Start des Busverkehrs auf Fernverbindungen 2013, als sich Dutzende Busunternehmen einen gnadenlosen Dumpingwettbewerb lieferten. Eines blieb damals übrig: Flixbus. Mit dem Ableger Flixtrain will das Münchner Unternehmen nun dem Branchenprimus Deutsche Bahn bei Fernfahrten Paroli bieten.
Zwischen Hamburg und Köln fährt der neue Konkurrent schon einige Zeit. Die zweite Linie von Berlin nach Stuttgart hat an diesem Donnerstag den Regelbetrieb aufgenommen. „Wir wollen ein attraktives Angebot gegen die Deutsche Bahn positionieren“, sagt Flixtrain-Chef Fabian Stenger. Bislang hätten 150 000 Kunden auf der Hamburg-Linie eine Fahrkarte gebucht, mehr als erwartet. Auch das neue Angebot werde besser angenommen als gedacht. Als der Premierenzug am Berliner Hauptbahnhof hält, ist der Bahnsteig tatsächlich voll von Reisenden.
Weitere Verbindungen
Schritt für Schritt will sich das Unternehmen einen wachsenden Marktanteil auf der Schiene holen. Zum Fahrplanwechsel im Dezember wird es zwei weitere Linienverkehre geben. Flixtrain hat Trassen für Fahrten von Köln nach Berlin und auf dem Paradestück der Deutschen Bahn zwischen München und Berlin beantragt. Vorsicht regiert. Anfangs wird nur ein Zugpaar täglich fahren. Läuft es gut, kommen weitere dazu.
Diese Zurückhaltung hat gute Gründe. Denn bislang sind alle Versuche, gegen die übermächtige Deutsche Bahn zu bestehen, gescheitert. Zuletzt musste der Neuling Locomore Insolvenz anmelden. Dessen Verbindungen hat Flixtrain nun reaktiviert. Das rollende Material ist teuer, die Trassennutzung ebenso. Das erschwert neuen Anbietern den Markteintritt. So lobt der Schienenbeauftragte der Bundesregierung, Enak Ferlemann, den „unternehmerischen Wagemut“. Solle sich der Personenverkehr wie gewünscht bis 2030 verdoppeln, müsse es ein größeres Angebot geben.
Im Gegensatz zu früheren Startversuchen von Privatunternehmen im Fernverkehr bringt Flixtrain einen Trumpf mit, den Anschlussverkehr im Flixbus. Bahn und Bus sollen zu einem flächendeckenden Verkehrsangebot vernetzt werden. „Wir wollen eine durchgängige Reisekette ermöglichen“, sagt Stenger. Allein im deutschsprachigen Raum hat das Unternehmen nach eigenen Angaben rund 500 Ziele und Tausende Haltestellen ins Streckennetz eingebunden. 140 Stopps kommen laut Stenger nun noch dazu. Darunter fällt auch eine bessere Anbindung der Flughäfen in München, Stuttgart, Memmingen, Leipzig und Hamburg. Vor allem aber: Das vor fünf Jahren gegründete Unternehmen, das weder Busse noch Züge in Eigenregie, sondern mit Partnerunternehmen betreibt, nutzt für das Zuggeschäft seine im Busverkehr erprobte digitale Vertriebsplattform. Auf diese Weise, so die Hoffnung von Finanzchef Arnd Schwierholz, will Flixbus auch seine Flixtrains auslasten. Denn die Konkurrenten, die sich in der Vergangenheit daran versucht hatten, der Deutschen Bahn Paroli zu bieten, waren vor allem daran gescheitert, dass sie ihre Züge nicht voll bekommen haben.
Am notwendigen Kapital für die Expansion fehlt es dem Unternehmen nicht. Hinter Start-up stehen längst finanzstarke Investorengruppen, darunter der amerikanische Private-Equity-Fonds General Atlantic (35,9 Prozent) und der im Silicon Valley beheimatete Wagniskapitalgeber Silver Lake (10,8 Prozent). Auch Daimler (5,6 Prozent) und Holtzbrinck Ventures (16,3 Prozent) sind beteiligt. Die drei Gründer Jochen Engert, Daniel Krauss und André Schwämmlein, die Flixbus 2012 gegründet haben und seit 2013 die ersten Busse auf die Straße geschickt haben, sind noch mit 23,8 Prozent beteiligt. Nach Informationen des „Handelsblattes“erwirtschaftete Flixbus 2017 einen Umsatz von rund 500 Millionen Euro. „Im Jahr 2017 waren wir als Gruppe das erste Mal profitabel, 2016 bereits in Deutschland, Österreich und der Schweiz“, sagte Finanzchef Arnd Schwierholz der „Schwäbische Zeitung“.
Im Busverkehr hat sich Flixbus in den vergangenen Jahren fast eine Monopolstellung erkämpft. Davon wird im Schienenverkehr nicht die Rede sein. Dort ist die Deutsche Bahn auf den Fernstrecken bisher Alleinherrscher, der nun ein kleines Stück vom Kuchen hergeben muss.