Spielerisch zu innerer Balance
Um Stress abzubauen und zu entspannen, gibt es verschiedene Methoden – von Yoga und Nia bis Qigong
Nicht nur Fitness, sondern auch innere Ruhe und Ausgeglichenheit, das wünschen sich viele von ihrem Sportprogramm. Kleine Auszeiten vom Alltag bieten Entspannungssportarten. Sie rücken neben dem Körper auch den Geist in den Fokus. Je nach Trainingstyp, gesundheitlichen Erfordernissen und individuellen Vorlieben gibt es für jede und jeden die richtige Entspannungsmethode. Ob dynamisch oder bedächtig, ob statisch oder fließend, ob stehend, liegend oder sitzend.
Yoga: Dynamisch und meditativ
Die Mutter aller Entspannungssportarten ist eigentlich viel mehr als das: eine philosophische und religiöse Lehre aus Indien, die geistige und körperliche Übungen beinhaltet. In der westlichen Gesellschaft fand vor allem das körperliche Training Verbreitung, modifizierte Variationen wie Power-Yoga konzentrieren sich auf Fitness und Ausdauer.
„Es gibt heute sehr viele Yogaformen“, erklärt Ulrika Eiworth, Trainerin für Yoga, Pilates und Nia aus Mosbach. „Einige sind dynamischer, einige eher meditativ.“Dadurch findet jeder den Schwerpunkt, der ihm am meisten liegt. Meiden sollten Yoga frisch Operierte, zum Beispiel nach einem Bandscheibenvorfall. Auch Ungeübte sollten die Belastungen für den Körper nicht unterschätzen. Denn beim Yoga werden Bänder, Sehnen und Gelenke überdehnt, so die Erfahrung vieler Sportmediziner, wenn der Ehrgeiz zu groß und der Bewegungsapparat zu wenig trainiert ist.
Pilates: Körpermitte im Fokus
Der Deutsche Joseph Hubert Pilates entwickelte dieses Prinzip ursprünglich für Soldaten während des Ersten Weltkriegs. Pilates ist ein schonendes, ganzheitliches Körpertraining und konzentriert sich neben dem Fitnessaspekt auch auf Atmung, Haltung und Koordination. Bei Pilates steht die Körpermitte im Fokus, auch Powerhouse genannt: Rumpf, Bauch, Rücken und Beckenboden. Das Training der Tiefenmuskulatur im Becken und in der Taille verbessert beispielsweise die Beweglichkeit und wirkt sich positiv auf die ganze Körperhaltung aus. „Im Unterschied zu Yoga, wo viele Übungen statisch gehalten werden, wird hier fließend gearbeitet, unterstützt von Hilfsmitteln wie Bällen, Ringen oder Bändern“, erklärt Trainerin Ulrika Eiworth.
Qigong: Harmonische Bewegungen
„Qigong ist ein harmonischer Fluss an Bewegungen“, sagt Qigong- und Tai-Chi-Lehrerin Karin Sedlmeier aus Wolnzach in Oberbayern. „Man hört kurz vor der stärksten Anspannung auf und geht dann in die Gegenbewegung.“Das alles sehr langsam, aber konzentriert und stetig. „Qigong fördert das Immunsystem, verbessert Kraft und Kondition“, erklärt Sportwissenschaftler Yu Zhejun von der Universität Mainz.
Durch die meditativen Anteile und die Atmung wirkt Qigong beruhigend. Gesundheitliche Einschränkungen gibt es kaum. Im Gegenteil: „Qigong hält die Wirbelsäule in Bewegung und ist gerade für Leute mit Rückenproblemen geeignet“, sagt Sedlmeier. Durch Lockerungsübungen für Schultern und Nacken finden verspannte Schreibtischtäter hier Entspannung. Da Qigong gut zu modifizieren ist, trainiert Sedlmeier auch viel mit Schlaganfallpatienten. „Das ist so langsam, so behutsam und achtsam, dass jeder es praktizieren kann.“
Progressive Muskelentspannung (PME): Lockerlassen mit System
Der amerikanische Arzt Edmund Jacobs begründete die Progressive Muskelentspannung, kurz PME, schon vor mehr als hundert Jahren. Anspannen und entspannen – mit dieser Technik lassen sich Muskelverspannungen lockern. „Oft wird es dem Autogenen Training vorangestellt“, sagt Sedlmeier, die in ihrer Praxis auch PME anbietet.
Während autogenes Training mit Autosuggestion arbeitet, bewirkt bei PME das bewusste Anspannen und Lösen der Muskeln die Entspannung von Körper und Geist. „Den Körper anspannen, um in eine Entspannung zu kommen: Das folgt demselben System wie Qigong“, erläutert Sedlmeier. PME findet aber eher liegend statt, während man bei Qigong meist steht. Darum sei PME für Leute geeignet, die ihre perfekte Entspannung in der perfekten Entspannungsposition finden: im Liegen.
Nia: Training, Tanz und Kampfsport in einem
Nia steht für Non-Impact Aerobics, ist also ein gelenkschonendes Aerobic-Training, das in den Achtzigerjahren in San Francisco begründet wurde und in den letzten Jahren auch hierzulande immer mehr Fans gewinnt. Bei Nia wurde kombiniert, was die Menschen an Entspannungssportarten mögen: Tanz, Kampfsport, Yoga, Musik.
Ähnlich wie bei Yoga und Pilates stehen bei dem fernöstlich inspirierten Fitnessprogramm Stressabbau und Körperwahrnehmung im Mittelpunkt der Übungen, sagt Nia-Trainerin Ulrika Eiworth. Im Vergleich zu Yoga sei Nia aber viel dynamischer. Trainiert wird zu Musik, barfuß und ohne Hilfsmittel. „Es ist eine Mischung aus Choreografie und freier Bewegung.“
Taijiquan oder Tai Chi: chinesische Kampfkunst
Taijiquan – kurz Tai Chi – ist eine chinesische Kampfkunst. „Der Bewegungsfluss ist ähnlich wie bei Qigong“, sagt Sedlmeier. Während man bei Qigong aber eher stehend dieselben Übungen wiederholt, lernen die Schüler beim Tai Chi ganze Choreographien. Das trainiere Beine und Rücken sehr effektiv, sei aber anspruchsvoller zu lernen. „Tai Chi erfordert viel Koordination und Konzentration“, sagt sie. Aber es schult eben auch beides.
Kursteilnehmer sollten allerdings bereit sein, das Training zu Hause fortzusetzen. Wer mit Knieproblemen zu kämpfen hat, sollte beim Tai Chi vorsichtig sein, sagt Yu. „Bei den Übungen sinkt oft der Körperschwerpunkt, sodass die Knie stark belastet werden.“Jeder muss seine eigene angenehme Körperposition finden, um Verletzungen zu vermeiden.