Schostakowitsch für Mahler-Ohren
Ob sich ein Dirigent freut, wenn seine Einspielung einen
Preis für die beste Aufnahmetechnik bekommt, sei einmal dahingestellt. Jedenfalls ist es dem Dirigenten Manfred Honeck, der alljährlich die Internationalen Konzerte auf Schloss Wolfegg leitet, mit seinem Orchester in Pittsburgh so ergangen. In der Tat überzeugt ihre Aufnahme der 5. Sinfonie von Schostakowitsch mit einer weit gestaffelten Dynamik und, im besonders ausgehörten langsamen Satz, mit einem superfeinem Pianissimo. Erstaunlicher ist aber, mit welcher Souveränität das Orchester überhaupt Schostakowitsch spielt, der ja in Pittsburgh nicht in gleicher Weise zum Kernrepertoire gehört wie in Sankt Petersburg.
Vor allem hat Honeck ein Konzept: Er bietet einen Zugang zu Schostakowitsch an, der über Mahler führt. In seinem Beitrag im Booklet (des US-Labels „Reference“, daher nur auf Englisch) zählt Honeck die Mahler-Zitate auf und zeigt dem Hörer, wann er sich auf die Lauer legen muss. Der 2. Satz könnte ohnehin auch als MahlerKreation durchgehen. Und im monumentalen Ende der SchostakowitschSinfonie klingt hier das Ende der 3. Mahler-Sinfonie durch, worauf man beim Hören anderer Aufführungen nicht zwingend kommt. Denn dieser Schluss wurde vor allem, wie die ganze Sinfonie, unter dem Verhältnis von Kunst und Macht im Stalinismus diskutiert. Aber allein das Verfahren, einen Keil zu treiben zwischen dem, was man vordergründig hört und dem, was gemeint ist, erinnert an Mahler. Jedenfalls brach das Publikum der Uraufführung 1937 in gänzlich ungebrochenen Jubel aus und hat damit wahrscheinlich dem Komponisten das Genick gerettet. Wie Honecks Publikum in Pittsburgh reagiert hat, ist auf der CD nicht festzustellen, denn hier handelt es sich um eine ausgetüftelte StudioAufnahme. Die mehr bietet als einen tollen Klang. (man)
Sinfonie Nr. 5 , Honeck, Pittsburgh S.O., Reference FR-724