Durch Berlin stromern
Die Formel E lockt immer mehr Zuschauer, Sponsoren und Werke an – Mercedes und Porsche steigen 2019 ein
BERLIN - Wie sehr die Formel E mittlerweile wahrgenommen wird, zeigt auch dieses Beispiel: Wenn die erste vollelektrische Rennserie am Wochenende zum vierten Mal in Berlin zu Gast ist, wird zum ersten Mal neben dem Spartensender Eurosport auch die ARD live das E-Rennen übertragen. Der Start am Samstag um 18 Uhr richtet sich sogar ganz nach den Wünschen der ARD: Das Erste überträgt das Rennen der leisen Flitzer zwischen den DFB-Pokalfinals der Frauen und Männer.
Auch mit Blick auf die Automobilhersteller boomt die Serie. Audi ist zur laufenden Saison mit einem Werksteam eingestiegen, BMW und Nissan kommen zur nächsten hinzu – und dann folgen Porsche und Mercedes, das dafür aus der DTM aussteigt.
Im ersten Jahr noch ohne Stern
Der Einstieg von Mercedes wurde schon vor Wochen offiziell gemacht. Offen war nur, wie der Stuttgarter Autohersteller sein Engagement bestreiten wird. Dieses Geheimnis wurde nun gelüftet. Die Firma HWA, die in der DTM bis zum Ende dieser Saison für Mercedes sechs Fahrzeuge einsetzt, wird direkt danach in der Formel E als elftes Team an den Start gehen. Zunächst wird der Rennstall aus Affalterbach die Elektrorenner vom Venturi-Team beziehen. In dieser Saison pilotieren die MercedesFahrer Maro Engel und Edoardo Mortara die beiden Venturi-Monoposto. „Es besteht kein Zweifel daran, dass die Erfahrung von Venturi mit Hochleistungselektrofahrzeugen für dieses neue Team sehr wertvoll sein wird“, sagt Venturi-Präsident Gildo Pastor.
Beim Start in der kommenden Saison wird auf den Elektrorennern noch kein Stern zu sehen sein. Das Unternehmen, das seit 30 Jahren für Mercedes die Einsätze in der DTM sehr erfolgreich bestreitet, wird unter dem Motto „Jugend forscht“in der Elektroserie Erfahrungen sammeln. „Die HWA AG ist das erfolgreichste Team in der Geschichte der DTM und unser Ziel ist es, die Erfolgsgeschichte unseres Unternehmens in der Formel E weiterzuschreiben“, sagt HWA-Vorstand Ulrich Fritz.
Dazu hat HWA zwölf Monate später mit Stern die Gelegenheit, wenn Mercedes in der Saison 2019/20 in der Formel E mitfahren wird. Dabei wird das deutsche Rennteam Unterstützung aus England erhalten, wo Mercedes zwei Werke für den Formel-1-Einsatz unterhält. Schließlich ist Mercedes in der Hybrid-Ära der Königsklasse das erfolgreichste Team. Aus dem Motorenwerk in Brixworth werde der Antriebsstrang zugeliefert, aus Brackley, wo die Formel-1-Boliden entwickelt und gebaut werden, werden Mitarbeiter die Truppe in Affalterbach gezielt unterstützen.
So sehr sich Serien-Promotor Alejandro Agag über den Einstieg von Mercedes freut, der Spanier kann sich generell über mangelndes Interesse an seinem Start-up-Unternehmen Formel E nicht beklagen. Im Wochentakt kann er neue Seriensponsoren vermelden. Mit dem Schweizer Energie- und Automatisierungskonzern ABB hat er einen Kontrakt abgeschlossen, der jährlich etwa zwölf Millionen Euro bringt. Diese Plattform nutzen will auch Voestalpine, ein in Österreich beheimateter Technologie- und Industriegüterkonzern. Das alles sind Unternehmen, in deren Überlegungen ein Sponsoring im Motorsport nie eine Rolle gespielt hat. „Die Formel E hat eine ungemeine Strahlkraft“, hat Stefan Moser, Motorsport-Kommunikationschef bei Audi, wahrgenommen.
Selbstverständlich nutzen auch die deutschen Hersteller die Elektroserie nicht nur, um mit Rennwagen dabei zu sein, sondern durch gezieltes Marketing Profit für die tägliche Arbeit daraus zu ziehen. Mercedes ist bei den vier europäischen Rennen als „Presenting Partner“mit seiner E-Mobilitätssparte EQ vor Ort.
Einer der populärsten Fahrer ist Allgäuer
Agag kommt dieses gesteigerte Interesse gerade recht. Denn noch kann er mit seiner neuen Serie keine Gewinne erzielen. Der „Telegraph“hat berichtet, dass die Serie den Umsatz im vergangenen Geschäftsjahr, das am 31. Juli 2017 endete, um 67 Prozent auf 97 Millionen Euro steigern konnte, parallel dazu aber auch die Ausgaben auf 117 Millionen Euro angestiegen seien.
Verantwortlich dafür sind unter anderen die hohen Kosten für den Aufbau der Rennstrecken in Metropolen wie Hongkong, Paris, Berlin, Zürich oder New York.
Weil jeder Sitzplatz auf einer Tribüne Geld kostet, versucht die Formel E auf andere Art mit den Fans in Kontakt zu kommen. Etwa über soziale Medien. Bei jedem Rennen können sie ein Votum für ihren Fahrer abgeben. Die drei mit den höchsten Klicks erhalten dann zusätzliche Leistung. Audi-Pilot Daniel Abt aus Kempten, der erste Deutsche, der je ein Formel-E-Rennen gewann, gehört sehr häufig zu den Profiteuren.