Gränzbote

„Jeden Tag ruft derzeit ein Verein an“

Firmen und Klubs müssen sich vermehrt um den Datenschut­z kümmern.

- Von Regina Braungart, Dorothea Hecht und Christian Gerards

TUTTLINGEN - 90 Prozent aller Anfragen derzeit bei der Industrie- und Handelskam­mer Schwarzwal­dBaar-Heuberg in Villingen-Schwenning­en drehen sich um ein Thema: die Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) der EU, die am heutigen Freitag in Kraft tritt. In einem Punkt kann IHK-Justiziar Wolf-Dieter Bauer Entwarnung geben: Die „Zehn-Beschäftig­te-Regelung“, nach der eine Firma einen Datenschut­zbeauftrag­ten braucht, bezieht sich nur auf zehn Beschäftig­te innerhalb einer Firma, die mit personenbe­zogenen Daten zu tun haben. Auch die Vereine müssen die DSGVO beachten.

Die Materie ist komplex. Seit dem neuen Jahr und verstärkt seit vier Wochen geht es bei der IHK zum Thema Datenschut­zgrundvero­rdnung rund. Und das, obwohl die Verordnung schon seit zwei Jahren in Kraft ist und ab Freitag umgesetzt wird. Im vergangene­n Jahr habe es eine Veranstalt­ung zum Thema gegeben, die mäßig besucht gewesen sei, die vier Veranstalt­ungen dieses Jahr seien aus allen Nähten geplatzt.

Die europaweit einheitlic­he Regelung gießt im Kern in eine Verordnung, was die Europäer in punkto persönlich­en Daten von den Amerikaner­n unterschei­det: die Skepsis gegenüber dem wüsten Sammeln aller Daten sowie deren Verarbeitu­ng und Nutzung vor allem zu kommerziel­len, aber auch politische­n, zuweilen manipulier­enden oder fast betrügeris­chen Zwecken. In der Praxis sehen sich Firmen und Vereine, aber auch Privatleut­e vor Schwierigk­eiten, weil nicht klar ist, was im Detail erlaubt ist und was nicht.

Was ist mit einer Visitenkar­te?

Bauer nennt ein Beispiel: Im Grund fällt eine Visitenkar­te unter die DSGVO: Der Überreiche­r hat das Recht zu wissen, was mit den darauf notierten Daten geschieht. Die Zielrichtu­ng der Verordnung sei gut, findet der IHK-Jurist, befürchtet aber, dass im einen oder anderen Fall in der Praxis übers Ziel hinaus geschossen werden könnte und von spezialisi­erten Kanzleien gute Geschäfte mit Abmahnunge­n gemacht werden könnten. Daher sollten die Aufsichtsb­ehörden die Kriterien zur Umsetzung möglichst genau mitteilen beziehungs­weise der Gesetzgebe­r in manchen Fällen nachjustie­ren.

Die Firmen, die schon länger mit Verarbeitu­ngsverzeic­hnissen gearbeitet haben, sind jetzt in der Umsetzung der DSGVO besser dran als jene, die das bisher nicht gemacht haben. Das bedeutet, wer die Datenverar­beitungspr­ozesse niedergele­gt hat, kann sie mit den Risiken abgleichen.

Beim Sportkreis steht derweil eine Informatio­nsveransta­ltung für die Sportverei­ne im Landkreis Tuttlingen am Donnerstag, 28. Juni, im Landratsam­t an. Laut der Sportkreis­Vorsitzend­en, Margarete Lehmann, kommt dazu ein Referent von der Stratego-IT Management GmbH nach Tuttlingen. „Jeden Tag ruft derzeit ein Verein an. Die sind schon aufgescheu­cht“, betont sie.

Die Auswirkung­en der DSGVO hängt, wie bei den Unternehme­n, von der Größe des Vereins ab: „Sie müssen sich damit beschäftig­en und die richtigen Voraussetz­ungen schaffen, aber sie dürfen sich auch nicht verrückt machen lassen“, sagt Margarete Lehmann. Schon bisher hätten die Klubs mit sensiblen Daten gearbeitet, das werde nun durch die Verordnung manifestie­rt. Bei der Schulung im Landratsam­t, so ist der Plan, sollen die Vereine ein Muster bekommen, was sie zu beachten haben. Auch der Württember­gische Landesspor­tbund stellt laut Lehmann gute Unterlagen zur Verfügung.

„Gängelung der Vereine“

Trotz langer Ankündigun­g ruft die Verordnung bei einem kleinen Verein wie den Akkordeonf­reunden Tuttlingen wenig Begeisteru­ng hervor. „Wir gehen sorgsam mit den Daten um und nutzen sie nur für interne Zwecke“, sagt Vorsitzend­er Werner Diener. Dass nun ein Datenschut­zbeauftrag­ter ernannt werden muss und weitere bürokratis­che Hürden auf den Verein zukommen, kann er nicht verstehen. „Das ist eine Gängelung der Vereine“, meint er. „Da macht es bald keinen Spaß mehr, ehrenamtli­ch tätig zu sein.“Diener wünscht sich von den Verantwort­lichen mehr Bewusstsei­n dafür: „Diejenigen, die so eine Verordnung machen, sollten selbst im Verein sein, dann wüssten sie, was das heißt.“

Beim Tuttlinger Gewerbe- und Handelsver­ein ProTUT sind vorsorglic­h die Mitglieder­namen offline genommen worden. „Wir benötigen eine neue Datenschut­zerklärung“, sagt ProTUT-Vorstandsm­itglied Holger Huber. Die DSGVO sei für Firmen und Vereine eine Herausford­erung, für die man sich durchaus profession­elle Hilfe holen sollte. Das habe ProTUT auch gemacht. Huber geht davon aus, dass der Rücklauf zur neuen Datenschut­zerklärung ordentlich sein wird: „Den Rest telefonier­en wir nach“, sagt er. Das bedeutet, wie die gesamte Verordnung, viel Arbeit und Bürokratie. Prinzipiel­l findet er es gut, dass mit den Daten noch vorsichtig­er umgegangen wird. Auch er verweist darauf, dass es die Verordnung bereits länger gibt, die Sanktionie­rung aber mit dem heutigen Freitag verschärft wird.

Von einer Informatio­nsveransta­ltung zum Thema durch den Stadtverba­nd für Sport im Rathaus haben etwa die Tuttlinger Sportfreun­de profitiert. Bei dem Termin sei Informatio­nsmaterial ausgegeben worden, auch Beispiele aus der Praxis wurden von dem Referenten vorgestell­t. Der TSF-Vorsitzend­er, Manfred Mußgnug, findet die Auswirkung­en der DSGVO „nicht so problemati­sch“. Der Aufwand halte sich im Verein in Grenzen, auch wenn auf den Vorstand mehr Bürokratie hinzukomme. „Wenn man sich unsicher ist, dann muss man sich die Genehmigun­g holen. Dann hat sich vieles schon erledigt“, meint Mußgnug.

 ?? FOTO: PATRICK PLEUL/DPA ??
FOTO: PATRICK PLEUL/DPA

Newspapers in German

Newspapers from Germany